29 Schwerverletzte bei Bombenanschlag in Mostar

■ Die Polizei schließt einen Racheakt kroatischer Extremisten als Motiv nicht aus. Ergebnisse der Kommunalwahlen werden erst nächste Woche bekanntgegeben

Split (taz) – Ein Bild erneuter Verwüstung stellte sich gestern den Betrachtern in der vom Krieg zerstörten Stadt Mostar dar. Durch die Explosion einer Autobombe waren in der Nacht zu Freitag in der Nähe des ehemaligen Polizeihauptquartiers Mostar-West im kroatischen Teil der herzegowinischen Hauptstadt 50 Menschen verletzt worden, 29, unter ihnen drei Kinder, so schwer, daß sie in Krankenhäuser eingeliefert werden mußten.

Sowohl an dem Polizeigebäude als auch an umliegenden Häusern entstand beträchtlicher Sachschaden. Das mit Sprengstoff beladene Fahrzeug explodierte gegen 23.40 Uhr auf einem Parkplatz, etwa 120 Meter entfernt vom Polizeihauptquartier. Unter den Schwerverletzten sind drei Polizeibeamte. Die Wohnungen in den unteren Etagen der betroffenen Häuser brannten zum Teil komplett aus.

Über die Motive des Anschlags gibt es nur Spekulationen. Daß es sich bei dem Anschlag um einen Racheakt der kroatischen Unterwelt handeln könnte, wird bei den internationalen Polizeitruppen nicht ausgeschlossen. Da der kriminelle Untergrund im kroatisch kontrollierten Westmostar seit dem Beginn des Krieges mit politisch extremistischen Kreisen verbunden ist, befürchten Beobachter, der Anschlag habe der seit dem 21. August bestehenden „vereinigten“ Polizei der Stadt gegolten. Erst vor wenigen Tagen wurde ein mutmaßlicher kroatischer Extremist verhaftet, weil er eine kroatisch-muslimische Polizeistreife angegriffen hatte.

Mit der Annahme eines Verfassungszusatzes nach Verhandlungen über die Teilnahme an den Kommunalwahlen hat sich die kroatische Seite dazu verpflichtet, Mostar als „vereinigte Stadt“ anzusehen und damit die Rückkehr von Vertriebenen zu ermöglichen. Daß durch die Bildung einer gemeinsamen Polizeitruppe mit diesem Ansinnen ernst gemacht wird, könnte das Motiv für den Anschlag sein. Der Vorfall wird von der lokalen Polizei, den internationalen Polizeitruppen (IPTF) und Mitgliedern der internationalen Friedenstruppe (SFOR) untersucht. Die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom letzten Wochenende werden wegen technischer Schwierigkeiten statt heute erst im Laufe der nächsten Woche bekanntgegeben. Nach wie vor herrscht in Sarajevo Bestürzung über den Tod von internationalen Beratern durch einen Hubschrauberabsturz am Mittwoch. Mit dem Deutschen Gerd Wagner und dem Polizeiberater, dem Amerikaner David Kriskovitsch, sind Schlüsselfiguren für die Umsetzung des Dayton- Abkommens ums Leben gekommen. Erich Rathfelder