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Unterm Strich

In England streitet man häufig über Kunst. Dem einen sind Rachel Whitereads Betonbauten zu häßlich, andere halten Damien Hirsts zerteilte Kühe für geschmacklos. Jetzt steht die Arbeit von Marcus Harvey zur Debatte: Bereits am ersten Tag der Ausstellung „Sensation“ in der Londoner Royal Academy wurde sein Porträt der Kindermörderin Myra Hindley beschädigt. Wie die Royal Academy am Wochenende mitteilte, muß das Gemälde eine Woche lang restauriert werden. „Wir sind fest entschlossen, das Bild wieder in die Schau zu bringen“, sagte eine Sprecherin.

Ein Arbeitsloser hatte das Gemälde mit roter, blauer und schwarzer Tinte bespritzt und anschließend versucht, es herunterzureißen. „Ich bin froh, daß ich das für all die Menschen getan habe, die Kinder haben. Das Gemälde glorifiziert, was ein Monster getan hat“, sagte er nach der Tat. Wenig später wurde ein Künstler festgenommen, der das Gemälde mit vier Eiern beworfen hatte. „Es ist eine Grenze überschritten, wenn ein Künstler vom Tod oder der Folter von Kindern profitiert. Das ist unannehmbar“, sagte er.

Harveys Bild ist in der Tradition des Fotorealismus gehalten. Statt mit einzelnen Farbtupfern wurde das Gemälde jedoch aus Kinderhänden komponiert. Darin sehen viele Zuschauer eine Provokation – den Kniefall vor dem Kindesmißbrauch. Immerhin war Myra Hindley 1966 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten wegen Mord und sexuellem Mißbrauch von Kindern zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nun zeigt Harveys großformatiges Wandbild die Hindley keinesfalls als triumphierende Mörderin oder als Opfer der Justiz. Offensichtlich geht die Arbeit auf ein Zeitungsfoto zurück und dokumentiert das Zusammenspiel von Medium und Öffentlichkeit, ohne es zu werten (Andy Warhols Reihe mit „Most Wanted Men“ funktionierte damals ähnlich). Der Zorn richtet sich trotzdem gegen das Bild: Winnie Johnson, die Mutter eines der Opfer Hindleys, zeigte sich nach britischen Presseberichten erfreut über die Attacken. „Ich finde das hervorragend. Sie sollten das jeden Tag tun. Ich freue mich, daß es passiert ist und hoffe, daß die Royal Academy das Bild abhängen muß“, meinte sie. Eine andere Mutter sagte: „Es ist schade, daß das Bild nicht ganz zerstört wurde.“

Der erst vor drei Monaten in den Ruhestand verabschiedete Bahnchef Heinz Dürr hat nach einem Bericht des Spiegel einen Kulturpreis ausgelobt. Der „Heinz-Dürr-Stückepreis“ sei gedacht für Theaterautoren, die sich mit „Fragestellungen, Antworten und Spekulationen zu unserer Gegenwart“ befassen, schreibt das Magazin in seiner Montagsausgabe. Den mit 100.000 Mark dotierten Preis zahlt Dürr nach dem Bericht aus seinem Privatvermögen. Zusätzlich wird er im Oktober voraussichtlich den Vorsitz der Stiftung Lesen übernehmen, die auf wachsenden Analphabetismus in Deutschland aufmerksam macht.

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