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Werft ist tot, es lebe die Hochschule

■ Nach der CDU sagt auch die SPD ja zum Umzug der Hochschule nach Grohn / Universitäts-Rektor Timm befürchtet „Katastrophe“

Bis zu dreitausend neue Arbeitsplätze sollen durch den Umzug der Hochschule in den Bremer Norden geschaffen werden. Das zumindest verspricht ein prognos-Gutachten, das seit einigen Tagen im unabgestimmten Rohentwurf durch viele Hände geistert. Die Regierungskoalition in der Bürgerschaft will jetzt die Umzugspläne absegnen.

Für den Rektor der Universität, Jürgen Timm, freilich wäre der Umzug der konkurrierenden Hochschule eine „Katastrophe“. Bereits zugesicherte Gelder für den Ausbau der Uni müßten dann nämlich in den Hochschul-Umzug gesteckt werden. „Es wäre schrecklich, wenn später zwei wissenschaftliche Ruinen hier stehen. Grohn ist eine unsichere Karte“, sagt er.

Lange Zeit waren große Teile der SPD nicht gerade angetan von dem Projekt, das auf dem Gelände der Roland-Kaserne entstehen soll. Verdammt hoch sind die Kosten für den Hochschul-Umzug, ein Flop bei der Ansiedlung von hochschul-nahen Betrieben ist nicht ausgeschlossen. Besonders Arbeitsplatz.Prognosen für das Jahr 2010 sind mit Vorsicht zu genießen. Was mit dem alten Standort in der Neustadt geschehen soll, wenn die Hochschule erst mal in Grohn ist, ist unklar. 452 Millionen Mark, so das unveröffentlichte prognos-Gutachten, wird der Umzug kosten.

Trotz dieser Vorbehalte ist der SPD klar, daß der Bremer Norden nichts dringender braucht als Arbeitsplätze. Und der Hochschulumzug ist der einzige strukturpolitisch große Wurf, der derzeit für Bremen-Nord im Gespräch ist. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, „Bremser“zu sein, mußten die Sozialdemokraten zustimmen.

Denn die SPD wurde kalt erwischt - die CDU besetzte das Thema, noch bevor das prognos-Gutachten offiziell veröffentlicht wird. Wie im Gutachten favorisiert, sprechen sich die Christdemokraten für einen „Science-Park“aus: Der Umzug der Hochschule soll mit der Ansiedlung von High-Tech-Betrieben am gleichen Standort gekoppelt werden.

Der SPD bleibt nun nichts anderes übrig, als auf den Zug aufzuspringen, den die CDU ins Rollen brachte. Obwohl die SPD-Wissenschaftssenatorin Bringfriede Kahrs, die selbst aus Bremen-Nord kommt, bislang aus wissenschaftspolitischer Sicht nicht viel vom Umzug hielt, wird sie jetzt auf Druck der Fraktionskollegen den Antrag in der Bürgerschaft mittragen. Zähneknirschend, wie zu vermuten ist. „Die Senatorin hat immer schon ,ja' zu Grohn als Wissenschaftsstandort gesagt“, heißt es jetzt aus ihrer Pressestelle. Wobei „Wissenschaftsstandort“in der Vergangenheit nicht unbedingt gleichbedeutend war mit einem Total-Umzug der Hochschule.

Der Beschlußentwurf, der im Oktober in der Bürgerschaft abgenickt werden dürfte, nimmt den Senat in die Pflicht, den Umzug vorzubereiten. Doch der Antrag bietet auch die Chance, die Angelegenheit durch ewige Vorgutachten zu verschleppen.

Der Wissenschaftsrat beim Bundesministerium für Wissenschaft soll nun um sein OK und eine Empfehlung für eine Mitfinanzierung aus Bonn gebeten werden, Machbarkeitsstudien und Finanzierungskonzepte müssen auf den Tisch. Das kann dauern.

„Der Antrag ist ein wichtiges Signal der großen Koalition“, glaubt dennoch Helmut Pflugradt von der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Kein Wunder, hat sich doch die CDU mit dem Antrag gegen die sozialdemokratischen Koalitionspartner durchgesetzt.

Früher strafte auch die CDU die Hochschule mit Nichtbeachtung, heißt es unter den Akademikern. Jetzt wird der Umzug zur Prestigesache und zum Strohhalm für den Norden der Stadt - jedoch nicht zum Wahlkampfthema.

Christoph Dowe

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