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■ QuerspalteAus dem SPD- Kochstudio

„UNO, Nato, HSV / Wie soll das weitergehen ohne Voscherau?“ reimt Harald Schmidt im Fernsehen. Die wirlich bewegenden Fragen unserer Zeit werden zwischen Blondinenwitzen und Starlet-Interviews abgehandelt. Der Showmaster und der Ex-Bürgermaster scheinen sich zu kennen, vielleicht aus dem Club „Xenophobie mit leichter Hand“. Jedenfalls antwortete Ich-bin-traurig-Henning gestern im Hamburger Abendblatt: „Ich bleibe ein sichtbarer und hörbarer Sozialdemokrat.“

Einige Sozis würden Voscherau wohl eher das Gegenteil raten: verstecken, schweigen, in die CDU eintreten! Sichtbar war der Sozialdemokrat Voscherau bisher in einer Stadtpolitik, die bürgerlicher nicht sein konnte. Hörbar war der SPD-Bürgermeister im Wahlkampf. Da haben die Genossen einen Spitzenkandidaten ertragen müssen, der „Schnellgerichte“ gegen Kleinkriminelle forderte. Der Rechtsstaat als Fünf-Minuten-Terrine aus dem SPD-Kochstudio.

In Wirklichkeit hat Henning Voscherau gewarnt: „Ich bleibe sichtbar und hörbar, Sozialdemokraten!“ Die Genossen sollten auf der Hut sein, nichts feiern die geneigten Medien lieber als gefallene Fürsten, die an ihren Nachfolgern kritteln. Silberlocke, Edelgrammatik und blasierter Gestus sind erwünscht, der Ruheständler soll hübsch staatstragend daherkommen. Mit dem Machtverlust wächst aus dem Politiker plötzlich die Persönlichkeit. Wer vorher Bundespräsident war, darf dann sogar an Helmut Kohl rummäkeln.

So weit ist Henning Voscherau noch nicht. Er muß an sich arbeiten. Der Politiker darf mit der Keule argumentieren, die Persönlichkeit führt das Florett. Als Persönlichkeit schielt man nicht mehr auf die Bild-Schlagzeile „Bettler raus aus der Innenstadt“. Gleiche Inhalte vermittelt die Persönlichkeit im Feuilletondeutsch. Bei Henning Voscherau klingt das so: „Eine Gesellschaft ... hat nicht das Recht, das asoziale Verhalten dieser Menschen zum Maßstab für das Zusammenleben aller werden zu lassen.“ Robin Alexander

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