: Lehrerlücke durch Haushaltsloch
■ Trotz absehbar steigendem Bedarf an Junglehrern baut der Senat Lehrerstellen weiter ab. Neueinstellungen scheitern am Stellenstop. Grüne und GEW fordern "Einstellungskorridor"
Jährlich 600 bis 1.000 neue Lehrer werden nach neuesten Berechnungen von Schulsenatroin Ingrid Stahmer (SPD) künftig in Berlin gebraucht. Allerdings erst ab dem Jahr 2001. Die 729 Referendare hingegen, die seit knapp zwei Jahren an Berlins Schulen auf ihren Job als Lehrer vorbereitet werden, können selbigen leider nicht antreten: Keiner derer, die im Herbst ihr Zweites Staatsexamen ablegen, wird in den Lehrerdienst übernommen. Das bestätigte die Senatsschulverwaltung auf Anfrage. „Der allgemeine Einstellungsstopp gilt auch für Schulen“, so Pressesprecherin Rita Hermanns, obwohl es „wichtig sei, daß an der Schule alle Generationen vertreten sind“.
Doch eine Änderung der Lage ist nicht in Sicht: im Gegenteil müssen laut Senatsauflage bis 1999 3.000 Lehrerstellen abgebaut werden; es steht also zu befürchten, daß mindestens die kommenden drei Referendarsdurchgänge, die halbjährlich ihr Examen absolvieren, nicht übernommen werden. Vom Einstellungsstopp ausgenommen sind lediglich Berufs- und Sonderschulen.
Um den Lehrerbedarf im kommenden Jahrtausend abzudecken, hofft Schulsenatorin Stahmer auf jährlich etwa 1.000 neue Lehramtsstudenten. Sibylle Volkholz, bildungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, fordert zusätzlich, die Sparvorgaben des Senats anzugehen. Denn mit der Hochschulreform werden auch die ohnehin knapp bemessenen Ausbildungsplätze abgebaut werden. Die PDS-Abgeordnete Elke Baum schätzt, daß mit dem derzeitigen Studienplatzangebot der Leherbedarf ab der Jahrhundertwende nur noch etwa zur Hälfte gedeckt werden kann. In der Tat machen bereits die Zahlen der vergangen Jahre stutzig: So legten im Studienjahr 1995/96 gerade einmal 54 Leute ihr Berufsschulexamen ab. Gerade im Bereich der Berrufsschulen fehlen aber schon heute Lehrer.
Die GEW fürchtet gar, daß angesichts der derzeit unsicheren Berufschancen künftig überhaupt niemand mehr ein Lehramtsstudium antreten wird. Sie fordert daher einen „Einstellungskorridor“ für mindestens 500 neue Lehrer. Zu riskieren, daß „eine ganze Generation von jungen Lehrern sich umorientiert und überhaupt kein Nachwuchs mehr kommt, ist kurzsichtig“, so GEW- Pressesprecherin Erdmute Safranski. Auch wenn die Arbeitsmarktchancen für Lehrer traditionell schlecht seien, sei die Gesellschaft auf ihre Verfügbarkeit angewiesen. „Die, die angesichts der jetzigen Politik nicht anfangen zu studieren, fehlen uns in acht oder neun Jahren.“ Und wer einmal aus dem Job raus ist, so Safranski, „kommt üblicherweise nicht zurück“.
Dabei versuchen Senat und Gewerkschaft bereits seit längerem gemeinsam mit anderen Methoden, jungen Lehrern den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen: Anfang des Jahres wurde ein Pakt vereinbart, mit dem Lehrern angeboten wird, ihre Stellen in Teilzeitstellen umzuwandeln. Für eine halbe Stelle gibt es zwei Drittel des Gehalts.
Die Resonanz bezeichnen beide Seiten als positiv. Die Sprecherin der Schulverwaltung, Rita Hermanns, fordert zusätzlich eine „bessere Steuerung“ der Ausbildung. „Es gibt immer zu viele Grundschullehrer, aber zuwenig Musiklehrer.“ Sie fordert Lehrerkandidaten dazu auf, „Mangelfächer“ zu suchen. Jeannette Goddar
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