: „Wertvolle Nationalparks werden meistbietend angeboten“
■ Einer der Preisträger, der Greifswalder Biologieprofessor Michael Succow, setzt sich für Naturschutzgebiete in aller Welt ein
taz: Herr Succow, Sie gelten als Vater des Nationalparkprogramms der DDR. 4,5 Prozent der Landesfläche wurden in den letzten Tagen der DDR unter Schutz gestellt. Wie war so etwas möglich?
Michael Succow: Zu meiner Zeit als Vizeumweltminister der DDR herrschte weitgehend Ohnmacht, Ökologie war damals aber ein positiv besetzter Begriff. Und ich hatte Freunde, die sofort auf Anruf zu mir kamen, ohne erst nach Einstellungsvertrag, BAT und Gehalt zu fragen. Einer fuhr entlang der deutschen Grenze und guckte, was ist wertvoll, was müssen wir sichern, wo gibt es Bürgerbewegungen, der andere fuhr ins Elbsandsteingebirge. Wir wußten, was wir wollten. Und das Volk stand dahinter. Heute wäre so etwas nicht mehr umsetzbar.
Gerade haben die Nationalparkgegner einen Bundesverband gegründet.
Ich schäme mich für dieses Deutschland. Es sind ja nicht nur diese Kräfte, die Nationalparks für nicht sinnvoll halten. Was mich noch stärker betrifft, ist der Verkauf von Schutzgebieten über die Nachfolgegesellschaft der Treuhand. Wertvolle Nationalparkflächen werden meistbietend angeboten. Im Müritznationalpark sind das 5.000 Hektar Waldgebiete, in der ehemaligen Todeszone am Schaalsee auch 5.000 Hektar. Das wird verkauft an höherstehende Persönlichkeiten, wie es so schön heißt. Ich kenne das alles schon aus Zeiten vor der Wende und hoffte, das nicht alles noch mal zu erleben.
Es gab den Einigungsvertrag. Es ist in bundesdeutsches Recht übernommen worden, Umweltminister Töpfer hatte damals noch erreicht, daß diese Flächen nicht verkauft werden. Jetzt aber ist das alles nicht mehr wahr. Wir als Naturschutzverbände müßten jetzt diese Flächen kaufen, damit sie nationales Eigentum bleiben. Ich fühle mich unglaubwürdig, wenn ich irgendwo in armen Ländern für Nationalparks werbe und dieses reiche Deutschland sich verweigert.
Halten Sie ein Umsteuern für noch möglich?
Die Bevölkerung ist in Teilen resigniert. Die Intellektuellen fühlen sich ohnmächtig oder bereichern sich selbst. Deshalb sind mir die Umweltverbände wichtig. Und ich hoffe auch auf Leute aus der Wirtschaft, die sagen, so geht es nicht weiter. Ein Beispiel dafür ist Herr Otto mit seiner Stiftung.
Doch die Hochzivilisation kann wahrscheinlich nicht umsteuern. Hier gibt es wohl nicht die Kraft und Bereitschaft und auch die Persönlichkeiten nicht. Es wird zwangsläufig nur über Katastrophen gehen. Und die werden größer werden.
Es gibt aber auch Regionen, in denen Regierende ethische Entscheidungen treffen. Ich erlebe Länder, die wir als arm ansehen und die riesige Probleme haben und dennoch sagen: Wir haben nicht das Recht, unsere Natur zu vernutzen. Ich war gerade in Jakutien, um dort ein Welterbeprogramm der Unesco mitzuinitiieren. Jakutien hat beschlossen, bis zum Jahr 2000 zwanzig Prozent des Landes nicht mehr zu nutzen. Das sind nicht nur abgelegene Gebiete, sondern die produktivsten Wälder und das Lenadelta, wo mehrere Fischfabriken gearbeitet haben. Aber die Regierung sagt, das ist ein Welterbe der Menschheit und unsere Nachkommen haben auch das Recht, Unbeeinflußtes zu erleben.
Was tun Sie dort?
Ich versuche die Länder Eurasiens, in denen unsere Raubtiergesellschaft das Holz, das Gold und die Diamanten haben will, über den gewöhnlichen Kapitalismus aufzuklären und zu zeigen, was diesen Ländern bevorsteht. Ich will sie bestärken, die noch unverbrauchte Natur als Schatz zu erhalten. Interview: Annette Jensen
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