: Niedersachsen hat ein Herz für RTL
■ Schröders Landesregierung verzichtet vorerst auf 20 Millionen Mark, die RTL zu Unrecht kassiert hat und nach einem Gerichtsurteil bei der Landesregierung abliefern müßte
Hannover (taz) – Bei der Einziehung von 19,4 rechtswidrig erwirtschafteten Werbemillionen läßt die niedersächsische Landesregierung gegenüber dem Fernsehsender RTL Gnade vor Recht ergehen. Justizministerin Heidi Alm-Merk hat am Donnerstag RTL „gnadenhalber Vollstreckungsaufschub“ gewährt. Jetzt dürfen die RTL-Werbemillionen, die das Oberlandesgericht Celle im Juni rechtskräftig zugunsten der Landeskasse eingezogen hatte, solange auf den Konten des Fernsehsenders bleiben, bis das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde von RTL geprüft hat.
Schon vor dem Gnadenakt haben die Grünen Ministerpräsident Gerhard Schröder aufgefordert, die Vollstreckung des Urteils nicht länger zu verschleppen. Ihre medienpolitische Sprecherin Rebecca Harms wirft dem Ministerpräsidenten vor, für die ausgesetzte Vollstreckung verantwortlich zu sein. Nach Angaben des Justizministeriums hat es tatsächlich vor dem Gnadenakt mehrere Gespräche zwischen RTL und Schröders Staatskanzlei gegeben. Eine Begründung für die Begnadigung wollte die Sprecherin von Justizministerin Heidi Alm-Merk nicht abgeben.
RTL-Sprecher Richard Mahkorn nannte die 19,4 Millionen „einen heftigen Betrag“, den RTL allerdings durchaus zahlen könne. Sein Sender hat nach Angaben von Mahkorn zunächst einen Antrag auf Stundung der Millionen gestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover die Zwangsvollstreckung der Summe angedroht hatte.
Die Staatsanwaltschaft habe diesen Antrag aber nach oben weitergereicht, so der Unternehmenssprecher. Später habe man bei RTL erfahren, daß nur noch ein Gnadengesuch die Vollstreckung abwenden könne. „Da haben wir dann den Antrag auf Stundung in ein Gnadengesuch umgewandelt“, so der RTL-Sprecher.
Mit seinem seit Juni rechtskräftigen Urteil hatte das Oberlandesgericht Celle RTL-Werbeeinnahmen eingezogen, die der Privatsender in den Jahren 1993 und 1994 durch unerlaubte zusätzliche Werbeblöcke erzielt hatte. Die niedersächsische Landesmedienanstalt hatte RTL bereits im November 1993 untersagt, unter dem Oberbegriff „Der große TV-Roman“ ausgestrahlte Spiel- und Fernsehfilme im 20-Minuten-Takt durch Werbung zu unterbrechen, weil dies keine Fernsehreihe im Sinn des Rundfunkstaatsvertrages sei.
RTL kam der Forderung erst ab Juli 1994 nach und unterbrach die eigenständigen Filme nur im erlaubten 45-Minuten-Takt durch Werbung. Im Juli 1997 hatte das Oberlandesgericht Celle die in den zusätzlichen Werbeblöcken erzielten Einnahmen in zweiter Instanz rechtskräftig zugunsten der niedersächsischen Landeskasse für verfallen erklärt. Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen