: Britische Tories wollen sich nicht streiten
Bei der Mitgliederabstimmung, die ihm nachträglich breite Legitimität verschaffen sollte, hat Tory-Chef William Hague unerwartet gut abgeschnitten. Jetzt diskutiert der Parteitag in Blackpool seine Reformvorschläge ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Die erste Hürde hat er genommen: 80 Prozent der Tory-Mitglieder haben für den Parteichef William Hague und seine Parteireform gestimmt. Wie hoch die Wahlbeteiligung war, ist jedoch ungewiß, denn die Mitgliederzahl ist nicht bekannt. Der Parteivorsitzende Cecil Parkinson behauptete, die Zahl „nähert sich 400.000“. Rund 180.000, also knapp die Hälfte, wenn Parkinsons Rechnung stimmt, hatten an der Wahl teilgenommen.
Zur Eröffnung des Parteitages im nordenglischen Seebad Blackpool wurde der 36jährige Hague gestern mit stehenden Ovationen begrüßt. „Habt keine Angst vor der Zukunft“, beschwor er die Delegierten in seiner Rede. Zwar liege „eine Mammutaufgabe“ vor den Tories, doch das Schlimmste – die höchste Wahlniederlage seit 50 Jahren – sei Vergangenheit. Man müsse aus den Fehlern lernen und offen für Veränderungen sein.
Hagues Reform, der „Vertrag mit den Mitgliedern“, umfaßt fünf Punkte: Die Basis soll den Parteichef wählen dürfen, ein Mitspracherecht bei der Aufstellung der Kandidaten für das Unterhaus erhalten und im umstrukturierten Führungsgremium der Partei vertreten sein. Außerdem will er einen Ehrenkodex aufstellen, der über die „Ethik und Integrität“ der Tories wachen soll. Darüber hinaus sollen die Mitglieder über umstrittene Punkte des Wahlprogramms direkt abstimmen.
Ein gefährliches Unterfangen, eröffnet es doch auch die Möglichkeit, zum Beispiel die Todesstrafe ins Parteiprogramm zu hieven.
Gemünzt ist der Vorschlag jedoch auf die Europäische Währungsunion – eine Frage, bei der die Partei nach wie vor tief gespalten ist. So hatte der ehemalige EU- Kommissar Leon Brittan „eine positivere Einstellung gegenüber dem Euro“ gefordert, während Hague für seine vorläufige Absage an die Währungsunion den lautesten Szenenapplaus erhielt.
Der frühere Premierminister John Major, der ebenfalls mit stehenden Ovationen gefeiert wurde, hatte die Delegierten am Vormittag denn auch aufgefordert, die „Kunst der Zusammenarbeit neu zu entdecken“. Er fügte hinzu: „Streitet ihr untereinander, verliert ihr die nächsten Wahlen.“ Wie auch Hague, so heftete sich Major die wirtschaftlichen Erfolge der Labour-Regierung ans Tory-Revers. Noch nie habe eine Regierung ihrer Nachfolgerin „solch ein goldenes wirtschaftliches Erbe“ hinterlassen wie die Tories, sagten beide.
Major führte die verheerende Wahlniederlage nicht auf falsche Politik, sondern auf „Arroganz“ der Partei zurück. In einer Warnung an die „Bastarde“, wie er die Euro-Gegner genannt hatte, die ihn während seiner Amtszeit öffentlich heruntergeputzt hatten, sagte Major, er werde künftige Differenzen mit Hague hinter verschlossenen Türen austragen.
Die erste Bewährungsprobe für den beschworenen Parteifrieden kommt bereits heute: Am Vormittag stehen „Außenpolitik und Europa“ auf der Tagesordnung.
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