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Umweltbundesamt wird überrollt

Verkehr ist das zentrale Thema bei der Präsentation des Jahresberichts des UBA. Die Beamten belegen ihre Einflußlosigkeit bei konkreten Projekten  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Dünner, schneller, aber nicht weniger kritisch. Das Umweltbundesamt (UBA) hat gestern seinen neuen Jahresbericht 1996 vorgestellt, in dem die Berliner Behörde den Stand der Behördenerkenntnisse zum Umweltschutz zusammenfaßt. Auch in dem neuen, handlicheren Bericht wird die große Kluft zwischen den Erkenntnissen staatlicher Stellen und der konkreten Politik deutlich.

Das zentrale Beispiel: Der Straßenverkehr müsse dringend umweltverträglicher gestaltet werden, verlangte UBA-Chef Andreas Troge bei der Vorstellung des 280 Seiten dicken Berichts in Bonn. Troge forderte eine deutliche Verringerung der Schadstoffemissionen. Das sei für die Gesundheit der Menschen und für den vorbeugenden Klimaschutz unabdingbar. Ohne eine Begrenzung der Kohlendioxidemissionen aus dem Verkehr ist nach Angaben Troges das Klimaziel der Bundesregierung nicht zu erreichen.

Bürgerinnen und Bürger wie auch die Medien haben die Botschaft des Umweltbundesamtes offenbar schon verstanden. Das Amt bekam im vergangenen Jahr mit Abstand die meisten Anfragen zum Thema Verkehr. Wie kann Verkehrslärm vermindert werden, welche Schadstoffe belasten die Luft an Straßen oder in Städten besonders, und was tun Firmen und staatliche Stellen dagegen, wollten die Menschen wissen. Praktische Auswirkungen hat das aber kaum. Im Bericht machen die Umweltbeamten deutlich, daß ihre Eingriffsmöglichkeiten gerade im Verkehrsbereich äußerst begrenzt sind. Sie können nur das Scheitern der offiziell verkündeten Politik eines umweltgerechten Verkehrs beschreiben. So sei es vor allem in Ostdeutschland nicht gelungen, den nach 1989 erfolgten Boom im Straßenverkehr auch nur ökologisch zu begrenzen.

Beim Versuch, Lärmschutz und Schadstoffverminderung in ostdeutschen Kommunen modellhaft durchzusetzen, traten „zum Teil erhebliche Probleme auf“, heißt es im Bericht. Wegen der unklaren Haushaltslage habe das Geld für den ökologischeren Stadtumbau gefehlt. Und die vorhandenen Ermessensspielräume zum Lärm- und Gesundheitsschutz, die sogar die Straßenbaurichtlinien einräumen, seien „von den Straßenbaubehörden oft nicht im Sinne des Umweltschutzes genutzt“ worden.

Bei der Verkehrsplanung wird Umweltschutz zur teuren Kosmetik. Umweltanalysen zu Verkehrsprojekten hätten kaum Einfluß darauf, ob Straßen, Bahntrassen oder Flughäfen tatsächlich gebaut werden. Die Umweltrisikoeinschätzung habe sich „nur im günstigsten Fall auf die Bedarfseinstufung“ ausgewirkt, heißt es im Beamtendeutsch.

Eine Alternativprüfung, ob mit Bahn oder Schiff oder gar durch Verkehrsvermeidung Engpässe behoben werden könnten, findet praktisch nicht statt, konstatieren die Experten. Im Gegenteil: Die Rechtskraft des Bundesverkehrswegeplans führe dazu, daß raumplanerische Vorbehalte – weil eine Straße zum Beispiel eine verkehrsarme Region durchschneidet – unwirksam bleiben.

Für Aufsehen könnten in den kommenden Monaten die Daten zum Verbrauch schädlicher Lösemittel sorgen. Immer weniger flüchtige Kohlenwasserstoffe gelangen aus dem Verkehr und aus den Lackierstraßen der Autoindustrie in die Umwelt. Doch das hatte bislang kaum Auswirkungen auf die Gesamtemissionen. Denn viele kleinere Firmen sowie Heimwerker setzen flüchtige Lösemittel weiter in großem Umfang ein. Die Versuche, den Verbrauch unter eine Million Tonnen im Jahr zu drücken, sind bislang gescheitert. Modellrechnungen haben ergeben, daß inzwischen jährlich 320.000 Tonnen solcher Lösemittel zum Beispiel über lösemittelhaltige Lacke in die Umwelt gelangen.

Einige Zwischenprodukte, die bei der Herstellung von Farben und Lacken entstehen, beeinträchtigen möglicherweise die menschliche Zeugungsfähigkeit. Als Beispiel nannte UBA-Chef Troge gestern den Stoff Bisphenol A, der in vielen Lacken, aber auch in Autoreifen Verwendung findet.

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