: Mit heruntergelassenen Hosen
■ Nach Jahrzehnten der Isolation will Japan nun sein alltägliches Gesicht zeigen. Über das JET-Programm können junge Leute aus aller Welt in Japan arbeiten und das Land kennenlernen
24. Juli 1997, fünf Uhr nachmittags: Mit dem Gong ist meine Arbeit als „außerordentlicher Beamter“ im öffentlichen Dienst der Präfektur Miyagi im Nordosten Japans beendet. Die Mitarbeiter der Abteilung für internationalen Austausch erheben sich, mit einer kurzen Ansprache nehme ich von ihnen Abschied. Drei Jahre, in denen wir miteinander gearbeitet, gelebt, gefeiert, gesoffen, am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen im Büro gesessen und uns gemeinsam vor dem Klingeln des Telefons gefürchtet haben, sind vorbei.
Als „Koordinator für internationale Beziehungen“ (englisch: CIR) war ich über das Japan Exchanging and Teaching Programme (JET) im Sommer 1994 nach Sendai in die Präfektur Miyagi gekommen. Das JET-Programm gibt es seit mehr als zehn Jahren. Zunächst wollte man damit muttersprachliche Englischlehrer an japanische Schulen holen. Noch heute kommen die meisten Teilnehmer aus englischsprachigen Ländern. Etwa neunzig Prozent unterrichten Englisch. „CIRs“ werden in Präfektur- und Gemeindeverwaltungen und bei Institutionen beschäftigt, die für den internationalen Austausch zuständig sind. Alle müssen auch gut Englisch können.
Auf meiner Stelle mußte ich unter anderem dolmetschen, übersetzen, Informationen über Deutschland und Europa präsentieren, Vorträge halten, Artikel schreiben, Grundschulen besuchen und bei der Organisation internationaler Veranstaltungen helfen. Als Mitglied des Ausschusses für die Gestaltung der Landschaft Miyagis befaßte ich mich mit Städte- und Landschaftsplanung. Japan, bis vor wenigen Jahren noch relativ stark isoliert, hat seit kurzem mehr internationale Kontakte. Darauf ist es kaum vorbereitet. Die Fremdsprachenausbildung in Japan ist bescheiden. Die meisten können bis auf „Ich liebe dich“ keinen deutschen Satz hervorbringen. Ähnlich bei Englisch. Direkte Begegnungen von Bürgern gerade ländlicherer Gegenden mit Ausländern sind immer noch rar. Mit dem JET-Programm will man Japan daher „internationalisieren“, wie es heißt.
Bisher wollte sich Japan vor allem als exotisches, besonderes Land darstellen, für das daher auf internationaler Ebene besondere Bedingungen verlangt wurden. Das ist gelungen, hat aber zur Vertrauensbildung wenig beigetragen.
Nun wurde durch das JET- Programm bislang rund zehntausend jungen Leuten aus aller Welt ein ganz anderes Japan präsentiert, ein Land in seiner Alltäglichkeit, Japan mit heruntergelassenen Hosen sozusagen. Diese jungen Leute sollen das Bild eines normalen, vertrauenswürdigen Japans in der Welt verbreiten. Christoph Törring
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