: Herumschwirrende Hauptschüler
■ Fast 1000 Hamburger Jugendliche haben noch keine Lehrstelle gefunden. Betriebe boten weniger Plätze an als im Vorjahr
Kuchen backen oder Locken drehen, das ginge noch. Sonst aber sieht es schlecht aus für Jugendliche, die in Hamburg noch eine Lehrstelle suchen. Das Ausbildungsjahr 1997 hat angefangen, und zwar ohne rund 970 Lernwillige. So viele haben keine Lehrstelle gefunden, meldet das Arbeitsamt. Nur 138 Stellen sind noch unbesetzt. Damit, grimmt die Behörde, „entsprach die Ausbildungs-Entwicklung der Situation auf dem Arbeitsmarkt“. Und die ist eben mies.
53 Lehrstellen weniger als 1996 haben Hamburgs Betriebe in diesem Jahr angeboten; 10.411 Plätze, um die sich mehr als 11.000 Jugendliche drängelten, besonders um Jobs bei Banken und Versicherungen. Bäckerin oder Frisör will dagegen kaum jemand werden, Dachdecker auch nicht. „In diesen Bereichen haben wir noch mehrere freie Stellen“, sagt Dieter Appel, Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer. Azubi-Leerlauf gebe es außerdem in Betrieben, die mehr verlangen als einen Hauptschulabschluß. „Aber ich glaube nicht, daß noch unversorgte Realschüler herumschwirren, die Handwerker werden wollen.“
Dennoch gibt Appel zu: „Wir hätten gerne mehr Ausbildungsplätze geschaffen als im vorigen Jahr.“Weniger sind es statt dessen geworden, „ein ganz schwaches Minus von 0,6 Prozent“gleich 18 Stellen. Aber die Zahl der BewerberInnen hat zugenommen, weiß das Arbeitsamt. Und sie wird weiter wachsen. Denn wer in diesem Jahr übrigbleibt, bewirbt sich im nächsten wieder. Das beweist die Statistik: 703 Menschen haben 1996 keine Lehrstelle gefunden – zwölf Monate später waren es schon 970.
Wohin also mit fast 1000 lehrlosen Menschen? Alle in Ersatz-Ausbildungen, in Schulen oder Behörden-Programme? Aber es gibt ja noch den Lehrstellenwuchs in Hamburgs Handelsbetrieben. Rund fünf Prozent mehr Ausbildungsplätze haben Groß- und AußenhändlerInnen, Banken und Speditionen geschaffen.
Prompt flutet Optimismus durch Hamburgs Handelskammer. „Das bestätigt unseren Trend“, sagt Thomas Scheerbecker, Leiter der Abteilung kaufmännische Berufsbildung: „Es geht aufwärts.“
Judith Weber
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen