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Alte Menschen ans Bett gefesselt

■ Streit um Pflegekonzepte im Altenheim eskalierte: Zwei Frauen wurden in ihren Betten fixiert - doch nicht etwa den Pflegekräften, sondern den Kritikern wurde gekündigt

as Altenwohnheim Blumenkamp steht in einer ruhigen Parklandschaft in Bremen-Nord. Doch hinter den frisch renovierten Kulissen des Vorzeigehauses rumort es. Mobbing wird der Heimleitung vorgeworfen – einem Pfleger wurde fristlos gekündigt, der Vertrag einer Kollegin wurde nicht verlängert. Vorläufiger Höhepunkt des Konflikts: Zwei Heimbewohnerinnen wurden von einem Betreuer mit Wolldecken auf ihren Betten fixiert, so daß sie sich nicht mehr rühren konnten. Das spaltet die Belegschaft.

Mußten die beiden alten Frauen einen Konflikt ausbaden, der eigentlich zwischen der Heimleitung und einem Teil des Pflegepersonals schwelt? Kritiker der Heimleitung müssen sich inzwischen teilweise zum Ex-Pflegepersonal zählen. Die Heimleitung verschärft die Gangart, seitdem sie über Personalien entscheiden kann, ohne den Personalchef einzuweihen: Innerhalb kurzer Zeit fangen sich Mitarbeiter plötzlich jede Menge Abmahnungen ein.

en kürzeren gezogen haben bisher Mitarbeiter, die sich seit Jahren für neue Pflegekonzepte einsetzen. Dabei ist in den vergangenen Jahren viel erreicht worden. Ein „Nachtcafé“wurde eingerichtet. Psychopharmaka sind aus dem Haus ebenso verbannt wie die Praxis des Festgurtens zur Bettruhe. Zum großen Teil ist das alles dem Nachtpfleger Gerd-Rolf Rosenberger zu verdanken.

Doch der Heimleitung war vor allem das „Nachtcafé“ein Dorn im Auge. Wenn die Bewohner nicht schlafen konnten, trafen sich die wachen Geister bei Nachtwache Rosenberger oder seinen Kollegen in einer Wohnküche, tranken Kaffee, klönten, rauchten. Die Bewohner waren angetan, die Heimleitung weniger.

turzgefahr beim nächtlichen Umherirren der Bewohner“fürchtet die Heimleiterin Barbara Tebruck. Dienstanweisung: Die Bewohner sollten nachts auf ihren Zimmern bleiben. Offensichtlich um das durchzusetzen, wußte ein Mitarbeiter sich nicht anders zu helfen, als zwei Bewohnerinnen mit Wolldecken im Bett zu fixieren – sein Dienstschluß rückte näher, und die zwei wollten zum Nachtcafé. Als die Nachtschicht kam, entdeckte sie die zwei Frauen bewegungsunfähig im Bett. Das gleiche geschah noch zweimal. Der Name des Fixierers ist bekannt, er wurde abgemahnt. Eine solche Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist illegal.

er Mitarbeiter war überfordert“, stellt sich die Heimleitung vor den Mann. Die beiden Damen seien hyperaktiv und in ihrer Verwirrtheit schwer zu kontrollieren gewesen. Auch hätten sich die beiden aus eigener Kraft befreien können – eine Darstellung, der Zeugen widersprechen. „Vom Brustbereich unter den Achseln bis hinunter zu den Knien“war eine braune Wolldecke unter der Matratze fest eingespannt, erinnert sich Nachtpfleger Rosenberger. „Die Einspannung war so fest, daß sie sich nicht drehen konnten.“Der einen Bewohnerin sei zusätzlich die Brille abgenommen worden, obwohl die Dame diese normalerweise selbst im Schlaf nicht absetzt.

Gekündigt wurde nun nicht dem illegalen Fixierer, sondern Rosenberger. Nach drei Abmahnungen in einem halben Jahr mußte er gehen – er war 18 Jahre im Haus tätig. Weitere drei Abmahnungen erhielt seine Kollegin Wilma Quaas, 14 Jahre im Haus. Damit steht auch sie auf der Abschußliste, fürchtet Rosenberger. Und Pflegerin Anja Leopold wurde ihr Vertrag nicht verlängert, obwohl sie bereits eine mündliche Zusage hatte. Die drei kämpfen inzwischen vor Gericht um ihre Jobs. Andere gingen freiwillig. „Insgesamt sind so zehn Leute gegangen, seitdem die neue Heimleitung da ist“, schätzt Leopold.

Was passiert im Hause Blumenkamp? „Das wir jemand auf dem Kieker haben, ist eine böse Unterstellung“, sagt Angela Dühring, zuständig für Qualitätssicherung in der Bremer Heimstiftung. Und Blumenkamp-Heimleiterin Barbara Tebruck sekundiert: „Ich bin überzeugt, einen kooperativen Leistungsstil zu verfolgen. Ich arbeite konsensorientiert.“Genau das bestreiten die ehemaligen Mitarbeiter. Zur Entlassung Rosenbergers, der inzwischen sogar Hausverbot hat, wollen die zwei sich nicht äußern.

Eine Unterschriftenliste gegen den ehemaligen Mitarbeiter überreichen sie jedoch, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Unterschriften allerdings sind anonymisiert.

ieben Jahre lang war Rosenberger aktiver Betriebsrat. Auch vor Prozessen gegen seinen Arbeitgeber schreckte der agile Pfleger nicht zurück. Er stritt um mehr Stellen und angemessene Bezahlung – und setzte sich oft genug durch, um als unbequem zu gelten. Die ÖTV hat sich längst mit Rosenberger solidarisiert, das Arbeitsgericht wird Ende des Monats entscheiden. Das Nordbremer Anzeigenblatt BLV nahm sich der Geschichte an, eine Flut von empörten Leserbriefen war die Folge. Die Heimleitung fürchtet um den guten Ruf des Hauses und wähnt schon, daß bald Zimmer im Heim leerstehen. Ein zugesagter Pflegeplatz für Rosenbergers Mutter im Blumenkamp wurde von der Leitung übrigens wieder gestrichen.

Christoph Dowe

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