: Nicht von dieser Welt
■ Unendliche Weiten, die noch nie zuvor ein Mensch betreten hat: Eine Ausstellung über den langen Weg von der Enterprise zur Voyager
Mein Nachbar hat ihn und eine meiner besten Freundinnen auch. Lebensgroß und aus Pappe. Und ich? Fehlanzeige. Bislang steht in meiner Wohnung kein Captain Kirk.
Die Kunsthalle ist dieser Tage zum Mekka der Trekkis – wie sich eingefleischte „Star Trek“-Fans selbst gern nennen – geworden. Allein in Berlin soll es, glaubt man den Zahlen des Fanklubs „Star Trek Forum“, rund 800 von ihnen geben. Die allerdings in der Ausstellung eher enttäuscht reagierten, wie eine nette Aufsichtskraft erzählt. Der echte Fan wolle lieber mit sich und den Ausstellungsstücken allein sein, „um auf der originalen Brücke meditieren zu können“. Die scheinen wirklich nicht wie von dieser Welt.
Paßt auch irgendwie. Schließlich düsen die Serienhelden ja auch irgendwo da draußen im weiten Weltall umher. Netter und problemloser als auf Mutter Erde ist es da zwar nicht, aber dafür viel spannender. Spannend geht es nun schon seit 1964 zu, als die erste Folge über die US-amerikanischen Bildschirme flimmerte. Captain Kirk erlebte mit seiner internationalen Crew Abenteuer ohne Ende. Für die damalige Zeit heikle Themen wurden von „Star Trek“- Macher Gene Roddenberry aufgegriffen: Vietnam, Hochrüstung, Rassismus, Kalter Krieg.
So kam es zum Beispiel auf der U.S.S. Enterprise zum ersten TV- Kuß zwischen einem Weißen und einer Schwarzen. Lieutenant Uhura wurde von Captain Kirk, der sowieso stets für die Liebeleien an Bord oder auf fremden Planeten zuständig war, zu Boden geküßt. Alle anderen gingen übrigens meist leer aus. Was Mr. Spock nichts ausgemacht haben dürfte, aber Navigationsoffizier Chekov vielleicht. Der Russe wurde übrigens erst nach Beschwerden in der sowjetischen Presse („Wir waren doch die ersten im All“) mit der 2. Staffel an Bord genommen.
„Star Trek“ war also nicht nur bloße Unterhaltung, sondern hat Politik gemacht. Verdienst der Ausstellungsmacher – maßgeblich beteiligt ist das Londoner Science Museum – ist es, genau das zu thematisieren. Vergessen wurde auch nicht, daß sich andere Filmemacher zuvor mit Science-fiction beschäftigten: Klassiker des Genres werden zu Beginn des Rundgangs vorgestellt.
Nur ein paar Meter weiter wird es dann spannend. Die originale Brücke aus dem Raumschiff, äh, pardon: aus dem TV-Studio ist zu bestaunen. Und da sind Kinder wie Eltern ganz aus dem Häuschen. „Guck, Opa, die Brücke, da kann man sogar raufgehen!“ freut sich ein Zehnjähriger. Und Opa bedauert es zutiefst, den Fotoapparat zu Hause vergessen zu haben.
Beim Anblick der vielen Exponate aus alter wie den neuen „Star Trek“-Serien – von originalen Kostümen, Unmengen von Fotos, erstklassig betexteten Schrifttafeln, Filmausschnitten und Modellen von Raumschiffen, Laserwaffen oder medizinischem Gerät – schlägt das Herz eines jeden „Star Trek“-Fans höher. Nur leider bleibt einem der größte Wunsch versagt: Es ist nicht gestattet, auf dem Kommandosessel von Captain Kirk auch nur mal kurz Platz zu nehmen. Das Leder sieht eh arg verschlissen aus. Immerhin mußte die Requisite 79 Folgen mitmachen. Die wurden bislang in über 100 Ländern ausgestrahlt. Die Deutschen sind seit 1972 dabei, erst beim ZDF und seit 1987 bei Sat.1.
Die Kommandosessel der Kirk- Nachfolger sind noch lange nicht durch. Kein Wunder, erst seit ein paar Jahren ist Captain Picard mit seiner Mannschaft unterwegs, wenn auch viel mehr, nämlich 178, Folgen entstanden. Dann trat die dritte Generation die Nachfolge an. „Deep Space Nine“ (erstmals ohne Gene Roddenberry entwickelt, der Ende 1991 starb) und auch die vierte Serien-Generation, „Voyager“, werden mit immer neuen Folgen fortgesetzt. Und irgendwann wird die fünfte Crew durch die Weiten des Weltalls düsen. Denn Geschäft ist Geschäft. Mit „Star Trek“, egal ob TV-Serie oder langer Kinofilm, mit Büchern, Kalendern, Videos und Pipapo läßt sich ein Haufen Geld machen. Für diesen Herbst ist der achte Kinofilm angekündigt.
Ja, und ich wollte mir meinen Lieblingshelden in Pappe kaufen. Captain Kirk mag ich nicht, den hätte ich für 50 Mark haben können. Aber mein Favorit, Captain Picard, war leider gerade ausverkauft. Andreas Hergeth
Bis 18.1. 1998, Budapester Straße 42, tägl. 10 bis 19 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen