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Tag des Stillhaltens

■ Die ARD wehrt sich weiter gegen Bertelkirch und Telekom beim Digital-TV

München (taz) – Es ist ein Ritual: Alljährlich auf den Münchner Medientagen pflegt Bayerns CSU- Ministerpräsident Edmund Stoiber seine Medienpolitik zu verkünden und anschließend die Mächtigen der Branche um sich zu versammeln, zum Wohle des bayerischen Standorts und Selbstbewußtseins. Seit Stoiber vor zwei Jahren hier seine Initiative zur Abschaffung des ersten ARD-Programms startete, gehen öffentlich- rechtliche Intendanten mit Angst, private Konzernherren mit Zuversicht in die Arena.

Doch heuer blieben die Handkantenschläge aus. Gestern verlangte Stoiber nur brav, die Gebührenfinanzierung der Öffentlich-Rechtlichen müsse „verfassungsrechtlich und europarechtlich beibehalten werden“. Auch beim derzeit meistdiskutierten Thema, dem Zugang der ARD zu der von Bertelsmann, Kirch und Telekom beherrschten Technik des künftigen Digital-TV, appellierte der Ministerpräsident lediglich verhalten an die Intendanten, „den erreichten Verhandlungsstand nicht zu gefährden“.

Doch sich mit diesem abzufinden, ist die ARD nach wie vor alles andere als bereit – „dort werden die Pflöcke eingeschlagen, die man nachher nicht mehr herausziehen kann“, ereiferte sich der ARD- Vorsitzende Reiter. Man wolle sich die Bedingungen zur Teilnahme bei der Zukunftsfernsehtechnik keinesfalls diktieren lassen, „noch dazu von unseren Konkurrenten“. Er sprach von einer „eingebauten Schieflage“ bei der Aufteilung der Technikplattform durch das Bertelsmann/Telekom/ Kirch-Konsortium, weil die Technik nicht (wie von Kirch-Geschäftsführer Dieter Hahn dargelegt) von einer neutralen Telekom beherrscht werden soll, sondern von der allen drei Konzernpartnern gehörenden Firma Beta. Das sei, als ob ein Radiosender die UKW-Technik in Deutschland beherrschen würde und entscheiden könnte, zu welchen Bedingungen andere Radios senden, heißt es.

Daß man sich derzeit eher bei Kirch als bei der Telekom mit der von jenem lancierten d-box-Technik, durch die alles künftige Digital-TV übertragen werden soll, auskennt, konnte man sehen, als der Moderator Telekom-Chef Ron Sommer danach fragte, welche technischen Gründe es denn überhaupt gebe, der ARD einstweilen den Zugang zu dem von ihr konzipierten Programmführer zu verwehren. Da übernahm dann schnell Kirch-Mann Hahn das Wort, schließlich ist sein Unternehmen derzeit das einzige, das über Empfangsgeräte verfügt.

Die ARD verhandelt derzeit mit den drei Konzernen über einen Technikbeirat, in dem die öffentlich-rechtlichen Sender vertreten sein und die Technik mit kontrollieren sollen. Dieser Beirat soll nach ARD-Vorstellungen regelmäßig den für Medien zuständigen Ländern berichten, so daß eine öffentliche Kontrolle der Plattform zumindest indirekt gewährleistet sei. Zu Wochenanfang habe man Vertragsvorschläge an die Konzerne gegeben. Kirch-Mann Hahn zeigte sich verhandlungsbereit.

Die ARD ist offenbar entschlossen, in dieser Sache hart zu bleiben. Mit ihrer Position stehen die Sender jedoch recht allein da, nachdem sich das ZDF in der vorvergangenen Woche den Bedingungen des Digitalkonsortiums gefügt hat und die ARD nun auf eine rasche Unterschrift drängt. ZDF- Intendant Dieter Stolte bringt denn auch sehr viel Verständnis für die Telekom auf, in deren Aufsichtsrat er sitzt. Es gebe eine „klare Trennung“ zwischen Kirch/ Bertelsmann und Telekom bei der künftigen Plattform und nur die Telekom werde sie verwalten. Da war Bertelsmann-Vorstandschef Mark Wössner erfreut, daß er diese lange Erklärung – „sie hätte von mir kommen können“ – nicht mehr selbst abzugeben brauchte. Lutz Meier

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