: McKinsey kritisiert Wirtschaftsförderung
■ Senat berät vertraulich über vernichtende Kritik der McKinsey-Unternehmensberater am Zustand des Haller-Imperiums, der landeseigenen Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft
Die Kritik der Mc-Kinsey-Studie am Zustand bremischer Liegenschaftsverwaltung und Wirtschaftsförderung dürfe nicht „als Momentaufnahme der aktuellen Politik diffamiert werden“, wehrt sich Finanzsenator Hartmut Perschau, bis vor wenigen Wochen politisch verantwortlich für die Wirtschaftsförderung. Die Feststellungen seien aber „an sich interessant“. Das war auch die einzige Stellungnahme, die gestern von der Regierungs seite zu haben war – der neue Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) will sich erst Ende des Monats zu dem Gutachten äußern.
Am Mittwoch abend hatten die Gutachter von McKinsey dem Senat die Ergebnisse ihrer Untersuchung der bremischen Wirtschaftsverwaltung vorab vorgestellt – eine in den meisten Aspekten vernichtende Kritik. Denn kaum etwas sollte nach dem Rat der Gutachter so bleiben, wie es derzeit organisiert ist und praktiziert wird.
Einer der Kernpunkte: Der Einfluß der Wirtschaftsbehörde auf die Wirtschaftförderung. Wenn die Wirtschaftsförderung in klarer Eigenverantwortung einer Gesellschaft betrieben würde (wie in Hamburg), dann könnten Zielvorgaben gemacht werden. In Bremen gibt es weder Zielvorgaben noch Controlling – Entscheidungen werden nach politischen Vorlieben gesteuert. McKinsey höflich: „Folge ist, daß die Mittel nicht optimal eingesetzt werden“, unnötige Abstimmungsprozesse kosten teure Zeit. McKinsey im Jargon: „Der direkte Einfluß der Politik verhindert .. eine wirksame Steuerung und Koordination.“Die Fördersätze schwanken zudem zwischen 7.500 und 140.000 Mark pro geschaffenem Arbeitsplatz, für Mc- Kinsey sachlich kaum nachvollziehbar. Wobei es für McKinsey selbstverständlich ist, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen ein definiertes Kriterium der Förderung sein muß – die Bremer Wirtschaftsbehörde will das gerade abschaffen.
McKinsey fand in der Bremer Wirtschaftsförderung „eine Vielzahl von nicht kundenorientierten behördlichen Vorgängen“. In Hamburg undenkbar: Dort ist die Wirtschaftsförder-GmbH nicht mit Angestellten aus der Behörde besetzt, sondern mit Kaufleuten, die aus der freien Wirtschaft kommen.
Eine andere Bremensie: Die organisatorische Trennung von Inlands-Wirtschaftsförderung (WFG) und Auslands-Wirtschaftsförderung durch das „Bremer Business International“(BBI). 1993/4 wurde das in Bremen als Fortschritt gefeiert, in Wahrheit ging es um Kompetenz-Querelen zwischen Wirtschafts- und Häfenbehörde. Im BBI haben 17 Mitarbeiter in einem Jahr für „zwei Mannjahre“gearbeitet und vier Betriebe nach Bremen gelockt, einen davon (KIA) gerade mal aus Hamburg weg, bilanzieren die Gutachter. Und sowas hat in Bremen keine Konsequenzen.
Oder das wirtschaftspolitische Eigenleben der Häfenbehörde. Bremen hat den dramatischen Rückgang des Geschäftes in den stadtbremischen Häfen aufgrund der Interessenkollisionen der Behörden regelrecht verschlafen, stellt McKinsey fest.
Oder der Wirrwar der Gesellschaften bei der Innovationsförderung. Oder beim Bremen-Marketing. Oder, oder, oder.
Lutz Peper (AfB) wertet den McKinsey-Bericht als „traurigen Beweis für Bremens dilettantische Wirtschaftsförderung“, vermeidet aber den Namen des verantwortlichen Staatsrates, den die AfB gerade als neue Leitfigur haben wollte. FDP-Vorsitzender Peter Braun, dessen Parteifreund Claus Jäger bis 1995 Wirtschaftssenator war, bemerkte, die „mangelnde Effizienz der Bremer Wirtschaftsförderung“sei „seit langem allen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung bekannt“. Die Grüne Helga Trüpel: „Seit zehn Jahren hält Herr Haller als Staatsrat die Fäden in der Hand und ist für die undurchsichtigen und ineffizienten Zustände verantwortlich.“ K.W.
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