Hamburger Müll-Dreisatz

■ Müllofen Stapelfeld erweitern und MVA Altenwerder bauen: Feuer und Flamme für nicht existierenden Müll Von Marco Carini

Schleswig-Holstein und der Kreis Storman wollen sie nicht, Hamburg braucht sie nicht mehr: die Erweiterung der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld am Ostrand Hamburgs. Was folgt daraus? Die Müllverbrennungsanlage soll ausgebaut werden, das nötige Genehmigungsverfahren läuft bereits auf Hochtouren. Politische Dreisätze, so scheint es, entziehen sich mitunter der mathematischen Logik.

Seit Jahren betreibt die Hansestadt, die zu 80 Prozent an der Betreibergesellschaft des Müllofens beteiligt ist, gegen den Widerstand Schleswig-Holsteins den Bau von zwei zusätzlichen Verbrennungsöfen in Stapelfeld. Die jährliche Verbrennungskapazität soll von rund 270.000 Tonnen auf 500.000 Tonnen gesteigert werden. Nur so, ließ die Umweltbehörde jahrelang wissen, sei der Ausstieg aus der mecklenburgischen Skandaldeponie Schönberg möglich.

Doch seit Hamburg den Bau eines weiteren Müllofens in Altenwerder plant (taz berichtete mehrfach), sind ganz andere Töne zu vernehmen. „Allein für Hamburg“ verlautbart Umweltsenator Fritz Vahrenholt heute, würden die neuen Öfen nun nicht mehr gebraucht. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Rocksien sagt es noch deutlicher: „Aus Hamburger Sicht ist eine Erweiterung der MVA Stapelfeld nicht mehr erforderlich.“

Aus schleswig-holsteinischer Sicht auch nicht: Der Kreis Storman will sein zu verbrennendes Müllaufkommen in den kommenden Jahren durch die Einführung der Biotonne und die Vorbehandlung des Restmülls mit einer „kalten Rotte“ drastisch verringern. Statt rund 100.000 Tonnen Stormaner Müll sollen dann jährlich nur noch 40.000 Tonnen Rotte-Reste in Stapelfeld verbrannt werden. Klaus Plöger, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stormaner Kreistag: „Aus unserer Sicht ist die Erweiterung überflüssig.“

Das im Herbst 1993 eingeleitete Genehmigungsverfahren wird trotzdem von Hamburg nicht gestoppt. Ina Heidemann, Sprecherin der Umweltbehörde, begründet dies mit dem „Vorrang der Entsorgungssicherheit“. Man wisse ja nicht, ob die Errichtung der MVA Altenwerder „plangemäß klappt“. Im Klartext: Um ganz sicher zu gehen, versucht sich Hamburg dramatische Verbrennungs-Überkapazitäten bewilligen zu lassen.

Wird die Altenwerder-Errichtung wider Erwarten in den Sand gesetzt, soll Stapelfeld den Entsorgungsnotstand abfedern. Doch darauf, daß Hamburg die beantragte Erweiterungsgenehmigung für Stapelfeld verfallen läßt, wenn die Errichtung der MVA Altenwerder nach Plan realisiert werden kann, will sich die Umweltbehörde jedoch nicht festlegen. Heidemann: „Das wird die weitere Entwicklung zeigen“ – kein Entweder-Oder, sondern ein entschiedenes Sowohl-Als-Auch.

Für den schleswig-holsteinischen SPD-Landtagsabgeordneten Konrad Nabel ist es ein Unding, eine MVA-Erweiterung zu betreiben, für die voraussichtlich kein Bedarf besteht. Nabel: „Wenn der Rechnungshof darüber stolpert, dürfte Hamburg Ärger bekommen.“ Doch nicht nur Steuergelder würden verschwendet. Nabel befürchtet, daß die zwei Zusatzöfen, wenn sie erst mal genehmigt sind, auch gebaut werden - egal ob sie gebraucht werden oder nicht.

Indizien dafür, so Nabel, gibt es genug. Seit Anfang der 90er Jahre reisen die Stapelfeld-Geschäftsführer durch die Kreise Lübeck, Segeberg, und Ostholstein, um Müll zu akquirieren, der eine erweiterte Anlage auslastet: „Eine höchst eigenwillige Politik der Betreibergesellschaft“.

Die aber ist erfolgreich. Dem Kreis Segeberg wurde so eine Option aufgedrückt, im Erweiterungsfall jährlich 130.000 Tonnen Abfall in Stapelfeld verbrennen zu lassen. Konrad Nabel: „Hier wird auf Teufel komm raus versucht, neue Verbrennungskapazitäten durchzusetzen und auszulasten“.