Wattenschutz wird ausgebremst

Am Dienstag beginnt die Wattenmeerkonferenz der Anrainerstaaten. Naturschützer kritisieren, daß die Schutzstandards nicht verschärft werden sollen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Der Schutz des „größten zusammenhängenden Wattengebietes der Welt“ steht einmal mehr auf der Tagesordnung, wenn sich ab morgen in Stade die Umweltminister von Dänemark und der Niederlande mit der Bundesumweltministerin und deren KollegInnen aus den Bundesländern an der Nordsee zur 8. „Trilateralen Wattenmeerkonferenz“ treffen.

Ein sechzigseitiges Papier, das dem Wattenmeerschutz „den Weg in das nächste Jahrtausend“ weisen soll, wird die zweitägige Konferenz verabschieden. Sechs Jahre haben Ministerialbeamte und Experten aus den drei Staaten an diesem „trilateralen Wattenmeerplan“ gearbeitet, der nun erstmals einheitliche Schutzstandards für das Watt und länderübergreifende Projekte und Aktionsprogramme für seine Erhaltung und nachhaltige Nutzung festschreiben soll.

Den vollmundigen Bekenntnissen zu einem integrierten Schutz des Watts zwischen dem niederländischen Den Helder und dem dänischen Esbjerg, die nun in Stade zu erwarten sind, ist hierzulande ein monatelanges politisches Tauziehen mit ganz ungewöhnlichen Koalitionen vorausgegangen. In den norddeutschen Küsten- und Inselgemeinden ist bei Kommunalpolitikern jeglicher Couleur zunehmend eine Stimmung gegen den Wattenmeerplan entstanden. Da haben nicht nur zahlreiche Bürgermeister und die CDU-Landesvorsitzenden von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Christian Wulff und Peter Kurt Würzbach, von ihrer Parteifreundin und Bundesumweltministerin Angela Merkel die Ablehnung des Schutzkonzeptes gefordert. Auch Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn lehnte noch im Sommer eine ganze Reihe von Punkten des Planes, den ihren Beamten mitausgehandelt hatten, als zu weitgehend ab. Inzwischen ist nachverhandelt worden, und auch Griefahn ist nun des Lobes voll: „Die anderen Vertragspartner haben verstanden, daß Vereinbarungen, die sich nicht verwirklichen lassen, sinnlos sind“, rechfertigte die niedersächsische Umweltministerin am Freitag, daß sich der Wattenmeerplan auf eine Festschreibung der ohnehin geltenden Schutzstandards beschränkt. Nichts ändern wird sich in den Augen Griefahns an den hohen Schutzstandards in den Nationalparks im Watt. Alle anderen Gebiete, wie etwa die Flußmündungen oder die Gemeinden auf den Nordseeinseln dürften wie bisher für Schiffsverkehr, Tourismus und andere wirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Den Sinn des gesamten Planes sieht die einstige Vorkämpferin des Naturschutzes jetzt vor allem darin, in den Niederlanden und Dänemark die Sicherung des Wattenmeers „auf das gleich hohe Niveau zu bringen, wie es in der Bundesrepublik bereits besteht“. Von diesem beispiellos hohen bundesdeutschen Niveau beim Wattenmeerschutz ist beim WWF- Deutschland allerdings nichts bekannt. WWF-Wattenmeerexperte Ralf Röchert erinnert etwa daran, daß die Niederlande den Bau der Erdgasleitung Europipe durchs Wattenmeer seinerzeit aus Naturschutzgründen abgelehnt hatten. Das Nachbarland habe keineswegs schlechtere Naturschutzstandards, sondern nur eine andere Gesetzessystematik. Daß es in der Regel die Bundesrepublik war, die auf weniger Schutz gedrängt hat, läßt sich auch an den strittigen Punkten ablesen, die Mitte September der Entwurf des Wattenmeerplanes auflistete. Da verlangte die deutsche Seite an zahlreichen Punkten das Wort „Wattenmeergebiet“ durch „Wattenmeerschutzgebiet“ zu ersetzen und wollte damit Schutzvorgaben auf die Nationalparkgebiete beschränkt sehen. Die deutsche Seite stritt auch für die Möglichkeit, aus dem geschützten Watt Erdreich für Deichbauten zu holen, und selbst die Jagd mit Bleichschrot wollte sie zumindest zeitweise erlaubt sehen.

Die Naturschutzverbände sehen in dem jetzt vorliegenden Entwurf des Wattenmeerplanes nur einen Minimalkonsens, „der zu keinerlei Änderungen bestehender Umwelt- ud Naturschutzpolitik zwingt“. Dennoch hält Ralf Röchert die Verabschiedung des Planes weiterhin für unerläßlich, da andernfalls der politischen Kooperation beim Schutz des Wattenmeeres das völlige Aus drohe. Fortschritte beim Wattenmeerschutz seien allenfalls zu erwarten durch die trilateralen Projekte und Aktionen, etwa zur Renaturierung von Flußufern oder zum Schutz der Flußmündungen. In solchen Kooperationsprojekten könne auch die bundesdeutsche Seite von den Nachbarländern lernen. Der WWF-Wattenmeerexperte kritisiert allerdings auch, wie der Plan ausgearbeitet wurde: „fernab der Öffentlichkeit, ohne Beteiligung der Bürger“.