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AnalyseÄrgernis Europa

■ Die britische Blair-Regierung und die Quadratur des Euro-Kreises

Für Tony Blair ist Europa anscheinend ein Ärgernis. Nicht, weil er die EU nicht mag, sondern weil er dort, anders als bei allen anderen wichtigen Politikfeldern in Großbritannien, den Rhythmus der Ereignisse nicht selber bestimmt. Daß Anfang 1999 der Euro kommt und 2002 die nationalen Währungen der Euro-Teilnehmer verschwinden, steht fest. So gut wie sicher ist auch, daß Großbritannien dem Euro zunächst nicht beitreten wird. Unter diesen Umständen und angesichts der Euro-Fixiertheit auf dem Kontinent kann Tony Blair seine Hoffnung, Großbritannien zu einer Führungsnation in Europa zu machen, begraben. Bis auf weiteres gehört Großbritannien nicht zum inneren Machtzirkel in Europa.

Wegen dieser für Blair ungewohnten Machtlosigkeit ist aus London immer wieder ein europhiles Grummeln zu hören, wonach die Möglichkeit eines eventuellen frühzeitigen EWU-Beitritts vielleicht doch erwogen werden könnte. Immer wenn das passiert, schnellt der Londoner Aktienmarkt in die Höhe, und das Pfund sackt ab. Wenn dann Finanzminister Gordon Brown das wieder zurücknehmen muß – wie zuletzt gestern –, geschieht das Gegenteil. Mit solchen Manövern soll die Quadratur des Kreises gelingen, trotz Euro-Abstinenz Einfluß in Europa zu demonstrieren.

Dieses Spiel wird wohl noch lange weitergehen, auch nachdem die britische Regierung, wie angekündigt, in einigen Wochen ihre Position zum Euro präzisiert haben wird. Zu erwarten ist nämlich ein klares Jein nach dem Muster, wie es kürzlich der britische Botschafter in Deutschland erläuterte: Beitritt 1999 „unwahrscheinlich“, irgendwann später „sehr wahrscheinlich“, falls sich erweisen sollte, daß der Euro funktioniert. Da bleibt alles offen.

In solchen Äußerungen spiegelt sich die Blair-Illusion politischer Allmacht, so als könne die britische Regierung sich zurücklehnen wie im 19. Jahrhundert und geruhsam überlegen, wie weit sie ihren Zeh in die trüben Gewässer kontinentaler Ränkespiele hineinstreckt. In Wahrheit wird nicht die Regierung den Termin eines britischen Euro-Beitritts bestimmen, sondern die Ökonomie. Zur Zeit sprechen alle ökonomischen Grunddaten dagegen: Die britische Wirtschaft boomt, während Deutschland und Frankreich in der Krise herumkrebsen. Auch die klügste Europäische Zentralbank kann es diesen gegensätzlichen Wirtschaftstrends nicht gleichzeitig recht machen. Aber irgendwann wird der britische Aufschwung nachlassen – möglicherweise früher als erwartet, weil das starke Pfund und die niedrige Arbeitslosigkeit schon jetzt zu Exportschwäche und kräftigen Reallohnzuwächsen führen, während die Regierung an Sparkurs und Hochzinspolitik festhält.

Dann könnte Blair in Versuchung geraten, sich in den Euro zu flüchten, um Währungskrisen und einen Popularitätssturz nach dem Muster John Majors zu vermeiden. In diesem Fall wäre Europa nicht Blairs Ärgernis, sondern – vorausgesetzt, die per Volksabstimmung zu befragende Wählerschaft schluckt es – seine Rettung. Dominic Johnson

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