: Sechs Jahre Chancen
■ GEW überrascht und begeistert über die Verlängerung der Grundschule
„Damit hat niemand gerechnet“, ist Anna Ammonn, Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), positiv vom grünen Verhandlungserfolg überrascht. Für „ausgesprochen sinnvoll“hält sie die Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre. Die Erprobung an drei Schulen sei aber nur ein „kleiner Beginn“.
Die GEW halte es schon lange für „im höchsten Maße zweifelhaft“, eine „Auslese“der Kinder bereits nach der vierten Klasse vorzunehmen. Denn im Alter von zehn Jahren seien die SchülerInnen „unfertig, bildungsfähig und formbar“. Eine „Weichenstellung mit weitreichenden Konsequenzen“schon zu diesem Zeitpunkt zu treffen, würde vielen Kindern die Lebenschancen verbauen.
Das belege nicht zuletzt die Hamburger Studie zur „Lernausgangslage“vom August dieses Jahres. Die Untersuchung hatte ergeben, daß Kinder von alleinerziehenden Müttern sowie von Vätern ohne Bildungsabschluß benachteiligt werden. Solche SchülerInnen müßten überdurchschnittliche Leistungen erbringen, um für das Gymnasium empfohlen zu werden.
Praktiziert wird die sechsjährige Grundschule bereits in Berlin (seit über 50 Jahren), in Brandenburg (seit 1990) und allen anderen europäischen Ländern. Hamburgs Versuch mit der sechsjährigen Grundschulzeit endete 1953 mit der einzigen Wahlniederlage der SPD seit Bestehen der Bundesrepublik.
Die GAL sieht eine Schwierigkeit darin, daß lediglich an drei Schulen die Verlängerung erprobt wird. Doch: „In allen weiterführenden Schulen gibt es eine Orientierungsstufe, die die Klassen fünf und sechs umfaßt“, heißt es in dem GAL-internen Verhandlungspapier. „Nichts anderes geschieht am Ende der sechsten Klasse einer sechsjährigen Grundschule.“
Hermann Schwarz, der in Hamburg als Experte für die sechsjährige Grundschule gilt und selbst in den 50er Jahren zwei solcher Klassen unterrichtete, findet jedoch auch warnende Worte. Nur wenn „miteinander und nicht nebeneinander gelernt“und auf die Heterogenität der Kinder eingegangen werde, sei die verlängerte Grundschule eine „phantastische Sache“.
Silke Mertins
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