Helden ohne Gitarre

■ Das Debütalbum von Subtle Tease wird legendär, wenn die Apokalypse lange genug wartet

„The Goings Of An Offer“, das Debütalbum des Kölner Duos Subtle Tease, erweckt den Anschein einer mathematischen Gleichung mit etlichen Unbekannten. Subtiler Geschmack? Ein sich wandelndes Angebot? Alles halb so schlimm.

Hinter dem Geschmack betonenden, fast schon künstlich klingenden Bandnamen stecken Kai Althoff von der Band Workshop, Justus Köhncke von Whirlpool Productions und eine seltsame elektronische Musik, die sich ziemlich genau als die Schnittmenge aus beiden Projekten beschreiben läßt: als House Music, die sich vollends von den Kontexten „authentisches Chicago-House“ oder „schicke Partymucke“ abgesetzt hat. Sie setzt auf eine mit Workshop häufig in Beziehung gesetzte, anspruchsvolle, verrückt-geniale andere Authentizität, auf diejenige von Can- Krautrock und Bowie-Glamrock. Subtle Tease, das sind die Helden eines neuen deutschen Undergrounds. Diesmal aber ohne Gitarre.

Auf dem von Kai Althoff gezeichneten Cover kommen uns die beiden entgegen und bahnen sich in futuristischen Trainingsanzügen einen Weg über von Disteln überwucherten Erdboden: zwei Typen, die den Weltuntergang überstanden haben. Sind sie vor etwas auf der Flucht? Oder handelt es sich doch nur um Überlebende der letzten Nacht, die einmal mehr die exzessivste war? „The Goings Of An Offer“ verbreitet jedenfalls durchweg eine äußerst düstere – Althoff sagt: „eine sehr traurige“ – Stimmung.

Zur Zeit läßt sich innerhalb der auf HipHop oder House beruhenden Elektromusiken ein Bruch beobachten. Es ist ein Bruch mit den Samples, und er scheint die Grenze zwischen ernster und Spaßmusik zu markieren. Während einerseits so unverfroren wie nie zuvor das obskurste Zeug gesampelt wird, wovon etwa sämtliche Neuerscheinungen auf dem Berliner Bungalow-Label ein beredtes Zeugnis ablegen, wird auf der anderen Seite Sampling radikal heruntergefahren.

Portishead etwa haben ihre Morricone/Schiffrin-/James- Bond-like-Orchesterarrangements für das neue Album selber komponiert und nicht von den Originalen aus den sechziger Jahren gesampelt. Bei Subtle Tease verhält es sich im Prinzip ganz ähnlich. Und während etwa Bungalow- Veröffentlichungen wie die „German Club Pop“-Compilation „RO 3003“ einerseits ungeheures Vergnügen bereiten und zugleich ziemlich belanglos wirken, stoßen „Bands“ wie Portishead oder Subtle Tease mit bad vibrations vor den Kopf und erscheinen damit ungleich attraktiver. Die neuen Sampling-Gegner verbreiten jedenfalls ein neues Unbehagen.

Im Gegensatz zu der voriges Jahr veröffentlichten EP sampeln Subtle Tease auf „The Goings Of An Offer“ keine „Que Sera“ singende Monroe mehr. Jetzt singen Kai Althoff und drei Künstlerinnen aus dem Umfeld von Subtle Tease, Workshop, Whirlpool selbst. Anstatt, wie bis vor kurzem so beliebt, ein Discosample zu loopen, sampeln Subtle Tease ihr „Deejayen“ in einer Disco mit Partygeräuschen und so weiter. Und statt auf die üblichen Drumsounds zurückzugreifen, holen Subtle Tease den auf Workshop-Schallplatten erprobten Kinderkoffer Althoffs heraus und nutzen die daraus gewonnenen Klänge als Bassdrum-Sounds.

Kurzum, die Referenzen bleiben, werden jedoch individualisiert, und man ist versucht, das alles für großartigen Quatsch zu halten, vielleicht auch für männlichen Größenwahn. Wenn da nicht etwas wäre, das einen zurückhält und eine Ahnung davon vermittelt, daß hier möglicherweise eine neue und treffende Formulierung des alten Wissens um den schlechten Zustand der Welt gefunden wurde. Man wird von ihr mit dem Schrei angefallen: „Diese Platte wird legendär, irgendwann!“ So wird es kommen. Vorausgesetzt freilich, die Apokalypse läßt sich noch etwas Zeit. Jochen Bonz

Subtle Tease: „The Goings Of An Offer“ (Ladomat/Rough Trade)