: Sonnenaufgang spät und zaghaft
■ Industrie unterschreibt „freiwillige Selbstverpflichtung“ zur Solarenergie bei Neubauten
Nach zwei Jahren zäher Verhandlungen ist gestern ein zaghafter Sonnenaufgang über der „SolarCity“ Berlin beschlossen worden. Umweltsenator Peter Strieder (SPD), Vertreter von Industrie- und Handelskammer sowie der Bauwirtschaft unterschrieben eine Vereinbarung zur „freiwilligen Selbstverpflichtung“ der Industrie zum Einsatz von Solarenergie bei Neubauten. Demnach sollen 75 Prozent aller Neubauten mit Sonnenkollektoren ausgerüstet werden, mit denen 60 Prozent des jeweiligen Warmwasserbedarfs umweltschonend erzeugt werden.
Insgesamt sollen so bis zum Jahresende 1998 mindestens 3.500 Quadratmeter Kollektorfläche entstehen, lautet die Vereinbarung. Wenn die Bauwirtschaft in den kommenden fünf Jahren ihre Verpflichtung nicht einhält, soll die Solaranlagenverordnung in Kraft gesetzt werden, erklärte Strieder. IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Hertz verkündete, die jetzt gestartete Initiative vermeide mit den zusätzlich vereinbarten Maßnahmen zu Wärmedämmung, Energiemanagment, dem Betrieb von Blockheizkraftwerken und von Solarstromanlagen „16mal mehr CO2, als in der Solaranlagenverordnung“ angelegt worden sei.
Eigentliches Ziel der Verordnung, die vom Abgeordnetenhaus seit 1995 gefordert wird, war aber die Förderung der Solartechnik. Strieder gab zu, daß die beste Zeit für eine solche Vereinbarung vor fünf Jahren gewesen sei. „Aber der Bauboom ist jetzt vorbei, so ist nun mal das Leben.“ Auch die sofortige Umsetzung der Verordnung hätte nichts geändert, meinte dagegen die IHK. Schließlich seien 1995 bereits die meisten Bauprojekte abschließend genehmigt gewesen.
Das Parlament hatte wiederholt auf die Verordnung gedrängt, doch die Widerstände aus der Bauwirtschaft und im Senat waren zu groß. Schließlich forderte Ende 1996 der Umweltausschuß des Abgeordnetenhauses ultimativ die Verordnung oder einen „gleichwertigen Ersatz“. Der aber sei nicht erreicht worden, kritisierten Umweltschützer. Greenpeace erklärte, die Selbstverpflichtung sei „nur ein Torso, weil ein Großteil der zukünftigen Bauvorhaben nicht erfaßt würden“. Auch die Grünen kritisierten, die Selbstverpflichtung schaffe nur etwa zehn neue Arbeitsplätze und verpflichte die öffentlichen Bauten nicht zur Solarnutzung. Die Vereinbarung sei bei den Bauherren nicht einklagbar und komme zu spät: „Seit Ende 1995 haben die Wohnungsbaugesellschaften 20.000 neue Wohnungen ohne Solaranlagen gebaut“, erklärte Umweltsprecher Hartwig Berger. „Der Senat handelt nach der Schultheiss-Maxime: Wenn alles getan ist.“ Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen