: Die Arbeit, zu lachen
■ Teddybär spielt sich frei: Rainer Hunold hat das Erbe Günter Pfitzmanns in der "Praxis Bülowbogen" angetreten (18.55 Uhr, ARD)
Wer die Geschichten aus der „Praxis Bülowbogen“ kennt, der weiß, daß es in Berlin zugeht wie in Paderborn, Emden, Stuttgart oder Hof an der Saale auch – also ganz anders, als im Spiegel steht. In Berlin – in Neukölln wie in Schöneberg – kommt man so über die Runden, von normalen Pannen und sonstigen Wechselfällen des Lebens einmal abgesehen.
Günter Pfitzmann, Anita Kupsch, Cornelia Froboess, Dieter Thomas Heck und Antje Weisgerber als Personal rund um eine Westberliner Arztpraxis führten diesen Alltag vor und bewiesen darin auch noch Witz. Der offenbar von sozialliberaler Harmonielehre inspirierte Drehbuchautor Ulrich del Mestre schrieb Stories, die für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich leicht und trotzdem nicht seicht waren. Wahrscheinlich hat „Praxis Bülowbogen“ mehr dokumentarischen Charakter als alle Illustriertengeschichten über die sieche Hauptstadt zusammen.
Nun hat Rainer Hunold als Dr. Michael Sommerfeld die Praxis übernommen. Ob das gutgehen würde, war bis zur ersten Folge am vorigen Donnerstag offen. Bislang profilierte sich der teddybärhafte Schauspieler mit den leblosen Kulleraugen als Anwalt neben Claus Theo Gärtner in „Ein Fall für zwei“. Zwar war das nicht schlecht, aber man merkte Hunold doch auch an, wie sehr er am Vorsatz zum Spiel klebt – beispielsweise in Talkshows, für die er offenbar gerne akquiriert wird.
Wenn Hunold lachte, war die Arbeit zu spüren, die es ihn kostete, zu lachen. Guckt er interessiert, wirkte das stets so, als müßte er sich Anteilnahme abringen. Es schien so, als könnte er nie aus der Aura des ewigen großen Bruders herauswachsen, der sich in Gefühlsdingen immer ein wenig schaumgebremst aufführt. Und so einer soll den Vergleich mit Günter Pfitzmann bestehen, der vielleicht nur geboren wurde, um den Dr. Brockmann zu spielen? Hunold meistert die Aufgabe und spielt sich frei. Auch er scheint uns nun ein verkappter allgemeinpraktischer Arzt mit pastoraler Anmutung, der sich nur notdürftig als Schauspieler verkleidet. Es könnte die Rolle seines Lebens werden: Hunold knarzt und schimpft, mäkelt und grummelt, lacht und lächelt.
Ansonsten ist die „Praxis Bülowbogen“ wie immer, nicht zuletzt deshalb, weil wieder Ulrich del Mestre die Geschichten sich ausgedacht hat. Die Patienten kommen in diese Praxis wie andere Menschen in selbstverwaltete Jugendzentren gehen: mit dem Vorsatz zur Klärung letzter Lebensfragen. Möglich, daß es uns Zuschauern auch so geht. Jan Feddersen
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