: Patriotisches Dröhnen und zackiges Salutieren
■ Wolfgang Petersen verdient sich mit „Air Force One“ eine Greencard für Hollywood
Der beste Witz in Wolfgang Petersens Film „Air Force One“ ist der Präsident der Vereinigten Staaten höchstpersönlich. Erst hält er vor russischen Politikern eine Rede, in der er im üblich moralinsauer-doppelzüngigen Politikerblabla von seiner Entschlossenheit kündet, mit Bösewichtern aller Art kurzen Prozeß zu machen. Dann ist er einfach nur gestreßt, will in seinem Flugzeug endlich die Socken ausziehen und ein liebevoller Ehemann und Papa sein. Und einige Zeit später sieht man den zerknautscht und gehetzt wirkenden Harrison Ford als Mr. President einzelkämpfen, und zwar gegen die russischen Terroristen, die sein Flugzeug, die Air Force One, entführt haben. In Rambomanier, versteht sich, denn dieser Präsident scheut keinen Nahkampf, der weiß sofort, wie man ein Maschinengewehr bedient. Und bald erfährt man auch warum: Unser Mr. President ist ein Kriegsveteran, der in Vietnam fliegen und kämpfen gelernt hat. Vergeßt Bill Clinton, den alten Drückeberger, ein Hoch auf Petersens Präsident James Marschall. Welcher aufrechte Bürger wäre nicht stolz, ein solches Staatsoberhaupt zu haben?
Und obwohl der Film perfekt inszeniert ist, obwohl er Rasanz, Spannung, Action, Tricks, Ballhaus-Kamerafahrt und tolle Schauspieler hat, unter anderen Glenn Close als Vizepräsidentin und „Fargo“-Trottel Dean Stockwell als Verteidigungsminister, irgendwann hat es sich ausgewitzt, und man kann das viele patriotische Gedröhne nicht mehr hören, dieses Mr. President hier, Mr. President da. Wolfgang Petersen hat mit „Air Force One“ wirklich keine Peinlichkeit gescheut, sich seine Greencard für Hollywood ein zweites Mal zu verdienen. Die rote Flut ist jetzt natürlich nationalistisch braun getönt. Der Feind sitzt nicht mehr in Moskau, sondern in einem der vielen nach dem Zerfall der Sowjetunion entstandenen Staaten: also Kasachstan, wo es einen General Radek (Jürgen Prochnow, allerdings ohne Worte) gibt, der die Welt bedroht und von den Amerikanern und Russen gemeinsam gefangengenommen wurde.
Mit Rebellenvollbart und Hitlerbärtchen und nicht ganz so speckig-häßlichem Haarschnitt wie in „Das fünfte Element“ versucht nun Gary Oldman als Terroristenanführer Korschunow, mit der Entführung der Präsidentenmaschine Radek freizupressen. Und obwohl seine Beweggründe durchaus einsichtig sind – er hat sinnlos in Afghanistan gekämpft, er führt den Golfkrieg als schlimmes Gemetzel ins Feld, er erklärt der Päsidententochter, wie viele Kinder ihr Alter auf dem Gewissen hat –, die Rechnung hat Korschunow ohne Mr. President gemacht, der mutig und entschlossen zeigt, wer Herr im Haus ist. Mit den Worten „Get out of my plane“ schmeißt er den Mann von der Rampe des Flugzeugs, denn – ein an anderer Stelle vorkommender Schlüsselsatz dieses Films – „damn it, nobody does this to the United States!“ Als Mr. President dann sein Flugzeug ein erstes Mal als Pilot unter Kontrolle hat, bekommt er verdientes Lob von einem der das entführte Flugzeug mit einem Kampfbomber begleitenden Piloten: „You did great, Mr. President!“ Und dann salutiert Mr. President dermaßen zackig und herzergreifend, daß es schon wieder zum Lachen ist. G.B.
„Air Force One“. Regie: Wolfgang Petersen, Drehbuch: Andrew W. Marlowe, Kamera: Michael Ballhaus. Mit Harrison Ford, Gary Oldman, Glenn Close u.a. USA, 128 Min.
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