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Ein Leben für die Entrechteten

Katrin Reemtsma 30.8.1958 – 9.6.1997. Die Familie“, hieß es in der Todesanzeige der Angehörigen der Ethnologin und Journalistin, die vor knapp fünf Monaten, am 9. Juni, von ihrem Lebensgefährten Asmet S. in ihrer gemeinsamen Wohnung in Berlin erstochen wurde.

Die 38jährige, in Lüneburg geboren, wurde am 9. Juli in aller Stille auf einem privaten Friedhof der Familie beerdigt. Sie hinterläßt eine fünfjährige Tochter und einen dreijährigen Sohn aus ihrer Beziehung mit Asmet S.

Katrin Reemtsma begann mit 18 Jahren ihr Engagement bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. Sie studierte in Hamburg, Göttingen und Berkeley (USA) Ethnologie sowie Völker- und Volkskunde. Von 1981 bis 1987 arbeitete sie bei der Göttinger Menschenrechtsorganisation als Referentin für Sinti und Roma.

Anfang der achtziger Jahre gehörte sie zum Organisationsteam des Dritten Welt-Roma-Kongresses. Danach übernahm sie das Referat für Sinti und Roma im Göttinger Bundesbüro der GfbV. Von 1987 an setzte sie diese Arbeit in Westberlin als ehrenamtliche Koordinatorin mit dem Schwerpunkt Roma in Osteuropa fort.

Zeit ihres Lebens setzte sich Katrin Reemtsma für Minderheiten ein. Sie lebte in Südamerika und Kalifornien unter Indianern, in Bosnien und Mazedonien unter Roma, sie kämpfte gegen die Vertreibung von ausländischen Roma in Deutschland. Als der Krieg in Jugoslawien tobte, setzte sie sich für die Aufnahme bosnischer Flüchtlinge in friedlichen europäischen Staaten ein.

Katrin Reemtsma veröffentlichte zahlreiche Artikel in Pogrom, einer von der GfbV herausgegebenen Zeitschrift. Sie hat zudem mehrere Bücher geschrieben, darunter das im vergangenen Jahr im Verlag C.H. Beck veröffentlichte Sachbuch Sinti und Roma – Geschichte, Kultur, Gegenwart. Darin forderte sie erneut die gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma am Leben west- und osteuropäischer Länder.

Zuletzt arbeitete sie als freiberufliche Ethnologin, verfaßte unter anderem Gutachten für Verwaltungsgerichte innerhalb von Asylverfahren und stand dem Europäischen Parlament als Expertin zur Verfügung. Als sie starb, steckte sie in den inhaltlichen Vorbereitungen für eine Roma-Tagung für das kommende Jahr.

Innerhalb der Bürgerrechtsbewegung war Katrin Reemtsmas Position umstritten. Die Kontroverse ging darum, ob es eine „zigeunerische Lebensweise“ gibt. Katrin Reemtsma lehnte diese Sichtweise immer ab: Wer dies behauptet, bestätige damit nur die Vorurteile, die es über die Lebensweise von Roma und Sinti gibt. Barbara Bollwahn

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