: Union erteilt FDP Abfuhr
■ FDP-Politiker drohen, doppelte Staatsbürgerschafts mit der Oppositon durchzusetzen. Kohl, Kanther und Waigel lassen sich nicht beirren und antworten mit harschen Worten
Bonn/Berlin (AFP/taz) – Der Koalitionsstreit um die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Ausländer droht zu eskalieren. Teile der FDP drohten am Wochenende, eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts notfalls gemeinsam mit der Bonner Opposition durchsetzen. „Sollten sich die Spitzen der Koalition nicht auf einen Kompromiß einigen, der das Wort Reform auch verdient, bin ich für eine Zusammenarbeit aller reformwilligen Kräfte im Deutschen Bundestag“, sagte die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Kritik an der starren Haltung der Union in dieser Frage äußerte auch FDP- Chef Wolfgang Gerhardt: „Die Union kann nicht so tun, als gäbe es in Deutschland keine fünf Millionen Ausländer.“ Spitzenpolitiker von SPD und Bündnis 90/Grüne erklärten sich zu einem fraktionsübergreifenden Vorgehen bereit. Während die FDP und einige meist jüngere CDU-Abgeordnete auf eine erleichterte Einbürgerung vor allem von Ausländern der zweiten und dritten Generation in Deutschland drängen, lehnen führende Unionspolitiker besonders eine doppelte Staatsbürgerschaft ab.
Bundeskanzler Helmut Kohl verstieg sich auf dem Deutschland- Treffen der Jungen Union zu der Drohung, „wenn wir nachgäben, hätten wir statt drei Millionen in kürzester Zeit vier, fünf, sechs Millionen Türken im Land“. Kanther erklärte sich in der Welt am Sonntag nur bereit, Ausländerkindern eine Einbürgerungsgarantie zu gewähren. Dies würde ihren Status bis zur Volljährigkeit allerdings nicht verbessern. CSU-Chef Theo Waigel betonte in der Welt am Sonntag: „Eine doppelte Staatsangehörigkeit ist der falsche Weg, da gespaltene Persönlichkeiten zu mehr persönlichen Konflikten führen.“
Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP) sagte der Bild am Sonntag: „Im Bundestag gibt es eine breite Übereinstimmung, daß den in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt werden sollte.“ Daher solle die Abstimmung darüber freigegeben werden. Dafür sprach sich auch der Frankfurter FDP-Politiker und Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, aus.
Der Grünen-Rechtspolitiker Volker Beck betonte, jetzt sei „die Zeit reif für einen interfraktionellen Gruppenantrag“. Die Opposition sei bereit, gemeinsam mit Koalitionsabgeordneten einer parlamentarischen Mehrheit für eine Staatsbürgerschaftsreform zum Durchbruch zu verhelfen.
Die FDP fordert, in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern von Geburt an die doppelte Staatsangehörigkeit zu gewähren. Am Donnerstag ist die geplante Reform Gegenstand einer Debatte im Bundestag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen