„Wir wissen, wofür wir stehen“

Die Front der Scientology-Gegner steht: Die Sekte repräsentiere gefährlichen „Extremismus neuen Typs“, hieß es auf einer Podiumsveranstaltung. Die Hubbard-Jünger indes schickten ihre ideologischen Hilfstruppen vor  ■ Von Matthias Stausberg

Für Clark Austin war die Sache klar. „Very concerned“, also „sehr besorgt“, sei er über die Unterdrückung religiöser Bekenntnisse in Deutschland. Nein, Scientologe sei er nicht, eher schon ein tiefüberzeugter Christ, betonte der junge Mann aus dem Süden Kaliforniens. Die Philosophie von L. Ron Hubbard finde er schon reichlich „durchgeknallt“, aber seine Organisation mit dem etwas plakativen Namen „Religious Freedom International“ kümmere sich um die Rechte aller unterdrückter religiöser Minderheiten. Und da gehöre Scientology nun einmal dazu. Gerade in Deutschland.

„Sehr besorgt“ waren irgendwie alle, die sich am Sonntag abend eingefunden hatten im Haus der Kirche in Charlottenburg – wenngleich die Besorgnis nicht gegensätzlicher hätte sein können. Die „Eltern- und Betroffeneninitiative gegen psychische Abhängigkeit und für geistige Freiheit“, kurz EBI, hatte zu einer Podiumsdiskussion mit Opfern und Gegnern von Scientology eingeladen und dazu schweres Geschütz aufgefahren. Ursula Caberta war da, die Leiterin der Hamburger Scientology-Arbeitsgruppe, oder der Amerikaner Gerry Armstrong, der nach 13 Jahren in der Organisation den schwierigen Ausstieg gewagt hatte. Er berichtete von den Repressalien, unter denen er leidet, seit er sich öffentlich gegen Scientology gewandt hat.

Scientologen saßen nicht auf dem Podium. So blieb vor den etwa 120 Zuschauern der große Schlagabtausch aus, spektakuläre Bilder gab es für die zahlreich vertretenen Fernsehteams nicht. Lediglich kurz vor Beginn der Veranstaltung entstand Unruhe, als Pfarrer Thomas Gandow von der evangelischen Landeskirche ein Scientology-Kamerateam kurzerhand des Hauses verwies.

Im Saal gab es indes bei der geballten Mischung aus Opferberichten und Untersuchungsergebnissen nicht viel Neues. Vom „Extremismus neuen Typs“ bei Scientology sprach die Abgeordnete Renate Rennebach (SPD) von der Enquetekommission des Bundestages und rechtfertigte so die staatlichen Maßnahmen. „Wenn Organisationen hier auftreten, die die Würde des Menschen verletzen, dann hat der Staat die Pflicht, dies zu untersuchen“. Ein Wirtschaftsunternehmen, das im verborgenen arbeitet, versuche „eine öffentliche Religion zu werden“, ergänzte Johannes Aargard vom dänischen Dialog Center International aus Arhus. Scientology sei „ganz und gar Schwindel“.

Der Abend machte klar: Die Front der Scientology-Gegner steht. Sie argumentieren damit, die Sekte sei totalitär, „faschistoid“, entziehe den Menschen ihre Würde und sei mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Das zu zeigen, war denn auch das eigentliche Ziel der internationalen Gemeinschaft auf der Bühne. „Wir wissen, wofür wir stehen“, resümierte Ursula Caberta.

Die Gegenseite war indes unauffällig geblieben während der Veranstaltung. Aber dennoch waren sie da, die heimlichen und offenen Scientologen, viele von ihnen aus den Vereinigten Staaten. Nur leise ließen sie ihrer Empörung freien Lauf, hin und wieder sah man ein Kopfschütteln oder ein gequältes Lächeln angesichts dessen, was anklagend vom Podium kam. Zum Saalmikrofon drängte es nicht die Scientologen selbst, sondern ihre Verbündeten: So erhob etwa S.L. Sharma von einer dänischen Hindu-Organisation, die mit Scientology zusammenarbeitet, den Vorwurf, in Deutschland fänden „ethnische Säuberungen“ gegenüber religiösen Minderheiten statt. Sein Beitrag wurde vom empört-ungläubigen Raunen des Publikums geschluckt. Draußen vor dem Saal wiederum war Scientology selbst aktiv: Wer die Veranstaltung verließ, bekam schon auf dem Hof ein eifrig zusammengeschustertes Flugblatt in die Hand gedrückt. Während der Scientology-Aussteiger Armstrong im Saal noch interviewt wurde, bezeichnetete die Sekte ihn als „psychotische Person“ auf der Flucht vor der US- Justiz. Auch Scientology und Co. wissen, wofür sie stehen.