piwik no script img

■ Bill Clinton boykottiert eine Senkung der CO2-Emission. Was tun?Wie man die Klimakiller stoppt

Schade, daß Politik nicht in Hollywood gemacht wird. Als Außerirdische am „Independence Day“ die Erde angriffen, wendete die Menschheit unter US- Führung die tödliche Bedrohung ab. Im wirklichen Leben sind die Rollen anders verteilt. Da verkündete US-Präsident Clinton, den Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase erst nach dem Jahr 2012 zu vermindern – und sprach damit das „Todesurteil für den Planeten“ aus, wie eine Berliner Boulevardzeitung nur sacht überspitzt formulierte. Damit ist der UN- Klimagipfel, der Anfang Dezember im japanischen Kyoto stattfindet, schon jetzt gescheitert. Die Klimaschutzdiplomatie kann sich nun die Zeit sparen, sich gegenseitig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterzuhandeln. Denn dieser lautet – null.

Die Umweltbewegung ist ratlos. Was tun? Clintons Kurs kann man nur mit Konfrontation beantworten. Das heißt: keine diplomatischen Rücksichtnahmen mehr, sondern die Schuldigen benennen. Haupttäter ist Clinton, Mittäter Nummer eins sein einst grüner, aber früh ergrauter Vize Al Gore. Angestiftet wurden sie durch die US-Industrie. Clintons Entscheidung ging eine demagogische Kampagne voraus. So wurde der US-Öffentlichkeit suggeriert, die UNO plane in den USA eine exorbitant hohe Benzinsteuer einzuführen, und Jobs würden deshalb nach China und Indien abwandern. Hinter dieser Kampagne standen nicht nur die US-Öl- und Kohlelobby (inklusive Gewerkschaften), sondern auch Automobilkonzerne wie Ford und General Motors (Opel), die in Deutschland gerne mit ihrem Ökoimage werben. Der portugiesische Europaabgeordnete Carlos Pimenta hat deswegen zum Verbraucherboykott gegen die beteiligten US-Firmen aufgerufen. Die Umweltverbände sollten sich diese Idee einmal durch den Kopf gehen lassen.

Öffentlichen Druck gegen die USA wird es nur geben, wenn die Umweltbewegung die Folgen von Clintons Vorschlag für die Erde vor Augen führen kann. Was passiert, wenn der CO2-Ausstoß der USA noch über Jahre hinaus weiter ansteigen darf und erst gegen das Jahr 2010 wieder auf den Stand von 1990 absinken muß? Was passiert, wenn auch die ostasiatischen Tigerstaaten ihren CO2-Ausstoß weiterhin jährlich steigern? Nötig wäre bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts eine Verminderung des CO2-Ausstosses weltweit um 50 Prozent, um die Folgen des menschengemachten Klimawandels in Grenzen zu halten. Doch nun steht eine Verdrei- bis Vervierfachung an. Die Folge wäre nach Berechnungen des UN-Wissenschaftsbeirates IPCC ein dramatischer, globaler Temperaturanstieg.

Die einzige Alternative zur Blockade der USA ist deshalb eine Vorreiterrolle der Europäischen Union. Zahlreiche osteuropäische und Dritte-Welt-Staaten wollen sich dem EU-Vorschlag einer 15prozentigen Treibhausgasminderung bis 2010 anschließen. Deshalb muß die EU in Kyoto erklären, daß sie dies als Selbstverpflichtung betrachtet. Und EU-Mitgliedsstaaten, die wie Großbritannien den US-Vorschlag begrüßt und damit die EU-Verhandlungsposition untergraben haben, müssen zur Räson gebracht werden.

Politisch stehen die Karten für eine progressive EU-Klimapolitik inzwischen besser als noch vor Jahresfrist. So sind nach dem Regierungswechsel in Großbritannien die Hoffnungen auf eine europaweite Klimaschutzsteuer gestiegen. Die sorgsame Liberalisierung der Energiemärkte, der Abbau der Subventionen für Kohle und Atom und die Schaffung von Schonräumen für erneuerbare Energien würde zu ökonomischen und ökologischen Effizienzgewinnen führen. So könnte die von der EU-Kommission angestrebte Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien bis zum Jahre 2010 erreicht werden.

Doch ein klimapolitischer Alleingang der EU muß wirtschaftspolitisch geschützt werden. Wenn Europas Energieunternehmen den Einstieg in den CO2-Ausstieg wagen sollen, dürfen sie nicht dem globalen Konkurrenzdruck ausgesetzt sein. Im Konfliktfall brauchen wir einen grünen Protektionismus, der Effizienztechnologien im europäischen Inland belohnt und Ökodumping im Ausland bestraft.

Wenn Europa sich dazu durchringt, geht der Streit erst richtig los. Vielleicht kehren die USA dann an den Verhandlungstisch zurück. Sascha Müller-Kraenner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen