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Lady Di als akademisches Objekt

■ Heute startet am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU eine Ringvorlesung über die Princess of Wales. Die Religionswissenschaftler erkunden in einem Seminar die "versteckte Religion" der Lady

Die Politikwissenschaftler scheinen von allen guten Geistern verlassen zu sein. Waren es früher Adenauer, Che oder Gorbatschow, die durch ihr Institut und ihre Köpfe geisterten, bahnt sich jetzt eine Revolution der besonderen Art an: Lady Di erobert die Gelehrtenstuben. Wurde die Kindergärtnerin zu Lebzeiten von der Boulevardpresse zur Märchenprinzessin zum Anfassen hochfotografiert, wird ihr nach ihrem Tod nun Ehre von höchst wissenschaftlicher Seite zuteil.

Heute beginnt Am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität eine Ringvorlesung mit dem Titel „Mythos und Politik: Diana – von der Princess of Wales zur Queen of Hearts“. Entstanden sei die Idee aus zahlreichen Diskussionen, die vor allem unter Kolleginnen über die Entstehung des Di-Mythos geführt wurden, erzählen die Organisatorinnen Sigrid Koch-Baumgarten und Sabine Berghahn von der FU. Überrascht von der kollektiven Trauerbewegung, habe man sich kurzfristig entschlossen, „aus der Routine des Wissenschaftsbetriebs auszubrechen“, so Koch-Baumgarten, „und in einer Kür die methodischen und theoretischen Instrumentarien der Sozialwissenschaften am aktuellen Beispiel zu testen“.

Der Grund: Bei der weltweiten Emotionalisierung des Themas handele es sich nur auf den ersten Blick um ein unpolitisches Phänomen. Bei genauerem Hinsehen ließen sich „zentrale politische Institutionen“ wie die Medien, die Labour-Regierung, das britische Königshaus und das „Volk“ als Akteure ausmachen.

In insgesamt 14 Veranstaltungen machen sich Politik,- Literatur- und Kommunikationswissenschaftler, Psychologen und Publizisten daran, den „Mythos Diana“ in all seinen Facetten zu durchleuchten: Lady Di als „moderne Ikone“, Lady Di und der „Marienkult“, Lady Di und „das Leiden an der Moderne“ , Lady Di als „Todesengel der Monarchie“. Anfang nächsten Jahres dann schließen sich Diskurse an: der feministische, der republikanische, der psychoanalytische, der medienethische und schließlich der nationale Diskurs im globalen Diskurs.

Die PolitikwissenschaftlerInnen wollen sich nicht die Chance entgehen lassen, mit Hilfe des Mythos Diana Einblick „in das Denken, in Orientierungen und Handlungsmuster von Menschen“ zu nehmen, „die sich sonst nicht artikulieren“. Ganz zu schweigen von dem „Geschlechterkonflikt“, der dabei „virulent“ werde, wie Dozentin Koch-Baumgarten meint. Deshalb sei das Thema „auch gerade frauenpolitisch hoch brisant und spannend“.

Die Brisanz und Spannung des Themas haben auch die Religionswissenschaftler erkannt. Sie waren sogar noch schneller als die Politikwissenschaftler. Bereits vergangenen Donnerstag begann am Religionswissenschaftlichen Institut der FU ein Seminar mit dem Titel „Semiologische Analyse der Lady Di – Mythos“. Dozent Constantin Rauer ist nach eigenen Angaben nicht an Lady Di selbst, sondern an „deren Rezeption“ interessiert. Die Princess of Wales sei das, was man „versteckte Religion“ nenne. Weil Lady Di von einem „sagenhaften Mythengeflecht“ umgeben werde („besser kann man es gar nicht haben“), will Rauer in insgesamt 16 Veranstaltungen die Mythen im einzelnen analysieren, um eine „Karte der Mythen“ zu erstellen. Barbara Bollwahn

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