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Magere Ausbeute des Bonner Umzugs

■ 40.000 zusätzliche Jobs erwarten Infas und Bundesanstalt für Arbeit

Der Zuwachs an Arbeitsplätzen durch den Umzug der Bundesregierung nach Berlin fällt weit geringer aus als noch vor Jahren erhofft. 40.000 zusätzliche Jobs vor allem für hochqualifizierte Dienstleistungsbeschäftigte prognostizieren das Sozialforschungsinstitut Infas und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit. Noch 1994 war die Bankgesellschaft Berlin von 705.000 neuen Arbeitsplätzen binnen zehn Jahren nach dem Regierungsumzug ausgegangen.

Der Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, Klaus Clausitzner, zeigte sich bei der Vorstellung der Studie gestern trotzdem erfreut: „Meine Erwartungen sind weit übertroffen.“ Josef Hoormann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) war dagegen eher skeptisch. Bei einer anhaltend negativen Tendenz auf dem Arbeitsmarkt und rund 30.000 zusätzlichen Arbeitslosen allein 1997 will Hoormann die Infas-Zahlen lediglich als Hoffnungszeichen verstanden wissen: als Potential für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Zur Zeit suchen 270.000 Arbeitslose in Berlin eine neue Beschäftigung, in Brandenburg zusätzlich mehr als 210.000.

Vor allem EDV-Spezialisten, Kommunikationstechnologen, Pädagogen und fremdsprachenkundige Servicekräfte aller Art können sich der Studie zufolge nach dem Umzug der Regierung auf eine feste Anstellung freuen. Die von Infas befragten 500 umsatzstärksten deutschen Unternehmen erklärten einen zusätzlichen Bedarf von rund 36.000 Mitarbeitern aus der Region.

Rund 20 Prozent der führenden Dienstleistungsunternehmen wollen demnach an Spree und Havel einen neuen Produktionsstandort eröffnen. Und etwa 12.500 Neueinstellungen kündigen die größten Industriebetriebe an. Zu einem großen Teil werden die zusätzliche Stellen in neu eingerichteten Verwaltungsbüros der großen Unternehmen entstehen.

Da die Bonner Behörden und politiknahen Einrichtungen beim Umzug nach Berlin überwiegend eigenes Personal mitbringen, könnten dort nur rund 4.000 Arbeitnehmer auf eine Neueinstellung hoffen, heißt es in der Studie.

Um Berliner Beschäftigte und Arbeitslose für die neuen Stellen zu qualifizieren, forderte DGB- Landesbezirkschefin Christiane Bretz gestern ausreichende Mittel für Weiterbildungsangebote der Arbeitsämter. Tilman Weber

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