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Bitte mit heißem Wasser zubereiten Von Susanne Fischer

Ob es Menschen gibt, die noch niemals auf Fertiggerichte hereingefallen sind? Auf die bunten Pappschachteln mit Bildern von dampfenden Terrinen, appetitlichen Lebensmittelarrangements und üppigen Köstlichkeiten? Grapsch! lange ich im Laden zu. Und wundere mich schon beim Heimweg über das Klappern in der Schachtel. Öffne ich, wolfshungrig, die Schachtel zu Hause, purzeln mir drei getrocknete Nudeln und eine sorgsam gefaltete Möhrenscheibe entgegen. Alles wird mit heißem Wasser begossen und ergibt dann einen grauen Schleimbelag auf dem Teller. Am Rande des lügnerischen Packungsfotos aber steht in halbmillimeterhoher Schrift: „Serviervorschlag“. Ich muß dann immer an den Bahnhof in Unna denken, der über die Gleise 1, 2, 4 und 18 verfügt. Gleis 18 ist der Serviervorschlag für Gleis 3. Gleis 18 hat Weltniveau. – Daß jenes dekorative, knackige Radieschen vom Bild nicht wirklich auf meinem gefriergetrockneten B÷uf Stroganoff hockt, bin sogar ich bereit einzusehen. Warum aber wird auf dem Foto ein Haufen Fleisch mit drei Tropfen Soße abgebildet, während in der Packung drei Fasern Fleisch in einem Berg geschmacksverstärktem Kleister verlorengehen? „Das liegt daran, daß ich das Essen abkühlen lasse und das Fleisch dann abtrockne“, erklärt mir der Food-Fotograf, der schon trögeweise Fleischsalat mit dem Küchenhandtuch Streifen für Streifen von fehlfarbener Mayonnaise befreit hat. „Auf Nudeln muß man Ketchup oder Farbe gießen. Und sie müssen kalt sein. Tomatensoße sieht grau aus, warme Nudeln wirken breiig.“

Nachdem auch mein Kater die großzügige Portion Schmodder à la Stroganoff verweigert hat, gebe ich ihm und mir kalte Nudeln mit Ketchup und schalte den Fernseher ein. Da lacht mich eine junge Reklame-Familie mit Eigenheimwunsch an. Der Vater guckt humorvoll, die Mutter entspannt, die Kinder auf wohlerzogene Weise niedlich-frech. Ein Schriftzug „Familia germanica, servierfertig“ wird eingeblendet.

Ich greife mir die Packung aus dem Fernsehen. Hinten steht wie immer drauf, daß heißes Wasser und ein bißchen Fett für den runden Geschmack doch noch benötigt würden. In der Packung klappert es verdächtig, und als ich sie ausschütte, fallen ein vertrockneter Alkoholiker, eine zusammengefaltete Nörgeltrine, eine schadhafte Legasthenikerin und ein faschistoides kleines Arschgesicht mit umgedrehter Baseballmütze heraus. Ob man die mit heißem Wasser überhaupt hinbekommt? Irgend was ist aber immer noch in der Schachtel. Das Radieschen? Die Petersilie? Der Bausparvertrag? Nein, ein blinder, blasenschwacher Dackel, der in alle Schachtelecken pinkelt, damit das Aroma stimmt. Zweifellos der Sympathischste von der ganzen Bande. Das Eigenheim müßte ja nun wohl auch noch – ha! Eine gefriergetrocknete Drei-Zimmer- Mietwohnung. Dachte ich's mir doch. Die kriegen immer Risse, wenn man sie mit heißem Wasser aufgießt. Da quillt dann der Schleim herein, bis die Mutter weint und der Vater brüllt. An den Kindern sind sowieso beim Servieren die Beine kaputtgegangen. Wenn man sie vor den Fernseher setzt, ist das aber nicht so genau zu erkennen. Jedes wird noch schnell mit einem Radieschen dekoriert. Bitte zu Tisch.

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