: Ende in Sicht im Fall Barschel
Die Staatsanwaltschaft wird ausgerechnet die beiden Punkte weiterverfolgen, die als völlig abstrus gelten: Der „Schuhspur“ und der „Mafiaspur“ ■ Aus Kiel Simone Siegmund
Im Fall Uwe Barschel ist zehn Jahre nach dem Tod des früheren Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein ein Ende in Sicht. Gerichtsverwertbare Erkenntnisse haben die seit drei Jahren dauernden Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Mordverdachts bisher nicht gebracht. Die Justiz braucht Fakten und kann sich nicht mit Spekulationen zufrieden geben, sagte der schleswig-holsteinische Justizminister Gerd Walter. Deswegen sieht er wie auch die Lübecker Staatsanwaltschaft in zwei Punkten noch Handlungsbedarf: in der sogenannten Mafiaspur und der „Schuhspur“.
Damit sollen die Ermittlungen ausgerechnet in den Komplexen weitergeführt werden, die als völlig abstrus im Todesfall Barschel gelten. Barschel war am 11. Oktober 1987 tot in der Badewanne des Genfer Hotels „Beau Rivage“ gefunden worden, wenige Tage nach seinem Rücktritt.
Zum einen hatten die Lübecker Staatsanwälte angenommen, Barschel könnte über seine Schuhe vergiftet worden sein. Nach einem Gutachten des Landeskriminalamtes kann sich in einem Schuh ein Lösungsmittel befunden haben. Dadurch ließe sich ein Fleck auf der Badematte im Hotelzimmer Barschels erklären. Ein Ledergutachter war jedoch zu dem Schluß gekommen, daß das vorgefundene Spurenbild an Schuh und Matte mit hoher Wahrscheinlichkeit durch warmes Wasser entstanden sei. Beide Gutachter will die Staatsanwaltschaft zu einer Erörterung laden.
Bei der ominösen Mafiaspur wird vermutet, daß es einen Mordauftrag gegeben habe. Wie Justizminister Walter berichtete, sei die Behörde im August vom Bundeskriminalamt unterrichtet worden, daß ein enger Vertrauter eines Mafiaführers in Italien „übergelaufen“ sei. Die Staatsanwaltschaft selbst hat die Direzione Nationale Antimafia in Rom und auch das Bundeskriminalamt um Unterstützung gebeten. Wenn dieser Kronzeuge etwas über einen Mordauftrag, bezogen auf einen norddeutschen Politiker, sagen könne, wie er einmal angedeutet hatte, soll er im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens vernommen werden.
Andere Spuren über Verwicklungen von CIA, nordkoreanischem Geheimdienst, Staatssicherheit oder die Theorien, Barschel sei das tödliche Schlafmittel zwangsweise verabreicht worden, sind bereits zu den Akten gelegt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen