: PDS-Streit um DDR-kritischen Abgeordneten
■ PDS-Basisorganisation stellt Gegenkandidatin zu Gewerkschafter Manfred Müller auf.
Die Weißenseer PDS ist im Begriff, ihrer eigenen Partei im Bundestagswahlkampf ein Bein zu stellen: Aus ideologischen Gründen haben Teile der Weißenseer SozialistInnen eine parteiinterne Gegenkandidatin zum jetzigen direkt gewählten Abgeordneten Manfred Müller aufgestellt. Der parteilose Müller war 1994 einer der vier DirektkandidatInnen, die ein Mandat für die PDS holen konnten und damit den Einzug in den Bundestag gesichert haben.
Noch scheint Müllers erneute Nominierung als PDS-Direktkandidat nicht gefährdet. Als sich die Gegenkandidatin, die 52jährige Marianne Linke, am vergangenen Samstag auf der Versammlung des Kreisverbandes Pankow präsentierte, soll sie keinen großen Eindruck bei den anwesenden GenossInnen hinterlassen haben.
Der ehemalige HBV-Vorsitzende Müller war 1994 auf PDS- Ticket ins Parlament gezogen, fing sich in Weißensee in den vergangenen Monaten jedoch scharfe Kritik ein, weil er die Urteile gegen das Politbüro begrüßt und das Grenzregime als Unrecht bezeichnet hatte. Er könne sich nur kritisch mit der Flüchtlingspolitik an der deutschen Ostgrenze auseinandersetzen, wenn er auch seine kritische Haltung zum Grenzregime der DDR offen äußere.
Für die Parteispitze – Landesvorstand, Bundesvorstand und die Bezirksvorstände hatten die erneute Kandidatur Müllers schon vor Monaten begrüßt – drückt sich in dem Konflikt denn auch ein grundsätzliches Problem der mit ihrer Vergangenheit belasteten Partei aus. „Die aktuelle Auseinandersetzung berührt Grundfragen der Strategie und der Richtung unserer Politik“, formuliert die Landesvorsitzende Petra Pau, „die mit Müller Probleme haben, haben in Wirklichkeit Probleme mit der Partei.“
In einem Brief der Basisorganisation „BO2“ der PDS in Weißensee, mit dem um die Zustimmung für Marianne Linke geworben wird, heißt es: „Als Naturwissenschaftlerin und Dozentin hat Dr. Marianne Linke Erfahrungen gesammelt, die ihr auch eine differenzierte Sicht auf DDR-Geschichte im Sinne des Parteiprogramms der PDS ermöglicht.“ Müller werfen die GenossInnen außerdem vor, sich zu wenig um seinen Wahlkreis zu kümmern. Diese Kritik wird mit der Kritik an seiner Geschichtspolitik verbunden. Eine „merkwürdige Allianz zwischen älteren Traditionalisten und jungen Radikalen“ nennt Müller-Mitarbeiter Wolfgang Girnus die Anti-Müller-Front. Diese Front hatte zwischenzeitlich sogar versucht, Hans Modrow zu einer Gegenkandidatur zu Müller zu mobilisieren, den Plan jedoch wieder fallengelassen.
Am kommenden Samstag geht der Kampf in die nächste Runde. Bei der Hauptversammlung des Bezirks Weißensee stellen sich die beiden KandidatInnen vor. Erst im Januar jedoch findet die parteiinterne Wahl der DirektkandidatIn statt. Barbara Junge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen