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Drei Gründe für Chicago

Mit einem klaren Favoriten, einem berühmten Trainerneuling und zwei Schiedsrichterinnen startet heute die NBA-Saison  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – „Die Liga ist viel mehr aus dem Gleichgewicht als zu meiner aktiven Zeit“, sagt Larry Bird, „wenn du heute einen Star wie Michael Jordan hast, beherrschst du die Liga.“ Der 40jährige, der die Boston Celtics in den 80er Jahren zu drei NBA-Titeln führte und jetzt mit den Indiana Pacers gern seine erste Meisterschaft als Coach holen würde, nennt damit einen von drei Gründen, warum die Chicago Bulls erneut die Topfavoriten der heute beginnenden NBA-Saison sind. Der zweite Grund ist, daß Klubbesitzer Jerry Reinsdorf nach einigem Zaudern das Meisterteam der letzten beiden Jahre zusammengehalten hat und Chicago mit fast unveränderter Zusammensetzung in die neue Spielzeit geht. Dritter Grund: der Mangel an ernsthafter Konkurrenz. Niemand kann sich vorstellen, wer den Champion in einer Playoff-Serie schlagen soll.

Die eine Gruppe der potentiellen Herausforderer wie Utah, New York, Houston, Seattle hat ihren Zenit überschritten, die Zeit anderer im Aufbau befindlicher Teams wie Los Angeles Lakers, Phoenix Suns, Detroit Pistons, Minnesota Timberwolves scheint noch nicht gekommen. Bleiben Mannschaften wie Indiana, Charlotte, Portland, Atlanta, San Antonio, Washington oder Miami, die über beträchtliches Potential, eine gute Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern verfügen und sich einiges ausrechnen. Aber die Bulls in einem Conference-Finale oder gar einer Meisterschaftsserie schlagen? You must be kiddin'!

Utah hat seine Chance gehabt, und es ist unwahrscheinlich, daß die Veteranen John Stockton und Karl Malone noch einmal den harten Weg ins Finale schaffen können. Ähnliches gilt für Houston mit seinem gebrechlichen Dreigestirn Drexler, Barkley, Olajuwon und erst recht für die New York Knicks. Diese haben nach ihrem der Undiszipliniertheit geschuldeten Ausscheiden gegen Miami ihren Alterungsprozeß konsequent fortgesetzt und sich komplett jeglichen Nachwuchses entledigt. Nesthäkchen ist jetzt Allan Houston mit 26 Jahren, sieben Spieler sind über 30. Daß die Knicks dadurch weiser geworden sind, darf getrost bezweifelt werden.

Seattle ist den Unruheherd Shawn Kemp an Cleveland losgeworden, wo dieser endlich seine 100 Millionen Dollar verdienen darf, und hat dafür Vin Baker aus Milwaukee verpflichtet. Ein exzellenter Spieler, der gleichwohl einen Kemp in Hochform nicht ersetzen kann. Ohne diesen wird das Sonics-Spiel noch mehr von Gary Payton abhängen, zumal Leute wie Schrempf oder Hawkins schon in der letzten Saison einen gewissen Verschleiß erkennen ließen.

Die Zukunft im Westen gehört ohnehin den Lakers. Los Angeles hofft auf einen gesunden Shaquille O'Neal, einen motivierten Spielmacher Nick van Exel, den aus Boston geholten Rick Fox und den 19jährigen Kobe Bryant. Dieser hat zwar in der Verlängerung des letzten Playoff-Matches gegen Utah die entscheidenden Würfe gräßlich am Korb vorbeigesetzt, aber daß ein solch junger Spieler diese Verantwortung überhaupt bekam, zeigt, wer der künftige Chef bei den Lakers ist. Seinem Selbstvertrauen habe das Debakel von Salt Lake City jedenfalls nicht geschadet, meint Vizepräsident Jerry West: „Wenn du Angst vor dem Versagen hast, wirst du nie etwas erreichen. Er hat keine Angst.“ Ebensowenig Coach Del Harris. „Ganz offensichtlich ist es unser Ziel, das Topteam zu sein“, erklärt er selbstbewußt.

Sehr viel rechnen sich auch zwei Mannschaften aus, die für die größten Abstürze im letzten Jahr sorgten: die San Antonio Spurs, die ohne den verletzten David Robinson Mühe hatten, überhaupt ein paar Spiele zu gewinnen, und die Indiana Pacers, die es nicht in die Playoffs schafften. Die Spurs erwarten Großes von Tim Duncan, dem besten College-Spieler der letzten Jahre, und sie hoffen, daß sich Robinson ausnahmsweise nichts bricht. Indianas Heilsbringer heißt Larry Bird, der zwar nicht die mindeste Erfahrung als Coach hat, die Spieler aber zumindest mit hartem Konditionstraining beeindruckte. „Was wir in diesem Team nicht haben werden“, verspricht er, „ist ein Haufen Kerle mit Bierbäuchen.“ Allgemein gelobt wird sein Manöver, den alten Dream-Team- Kollegen Chris Mullin von den Golden State Warriors zu holen. Mit Mullin, Center Rik Smits und Distanzwerfer Reggie Miller haben die Pacers eine vielseitige Offensive, die schwer auszuschalten ist. Miller freut sich besonders, daß die Dreipunktlinie nach hinten verschoben wurde. „Der Wurf ist wieder eines Mannes würdig“, sagt er markig.

Für den größten Wirbel vor der neuen Saison sorgten jedoch weder Tim Duncan noch Michael Jordan, sondern zwei Frauen in längsgestreiften Hemden: Dee Kantner (37) und Violet Palmer (33), die ersten Schiedsrichterinnen in der NBA. „Wenn sie pfeifen können, können sie pfeifen, egal, welches Geschlecht sie haben“, kommentierte Jordan, der Dee Kantner vor einem Jahr noch kritisiert hatte („zu langsam, steht im Weg“). Schiedsrichterschreck Dennis Rodman wurde von Coach Phil Jackson vorsorglich ermahnt, sich den Ladies gegenüber gut zu benehmen. Keine Chance, konterte dieser: „Sie wollen Schiedsrichter sein, also behandle ich sie wie die Männer. Wenn ich ihnen einen Klaps auf den Hintern gebe, heißt das nicht, daß ich etwas von ihnen will.“ Dee Kantner sieht das ähnlich: „Das ist sicher nichts, was wir mißverstehen werden.“

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