Analyse: Hoffnung für Kioto
■ USA blockieren, sind aber isoliert
Die USA-Unterhändler spielen die Rolle des Bösewichts prächtig. „Schluckt unseren Vorschlag, oder es gibt kein Ergebnis“, so, klagen Beobachter, ließe sich deren Diplomatie im Vorfeld des Klimagipfels in Kioto zusammenfassen. Das ist eben der American way die Welt zu sehen. Zum gestrigen Abschluß der letzten Vorverhandlungen in Bonn vor dem Klimagipfel malten die Vertreter der internationalen Umweltschutzverbände daher ein düsteres Bild. Denn die USA wollen nur einer Stabilisierung des CO2-Ausstoßes bis 2010 auf dem Niveau von 1990 zustimmen. Zu einer Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen werde es daher vorerst nicht kommen, prophezeien die Umweltschützer.
Das ist sicher ein vorschnelles Urteil. Auch andere internationale Vereinbarungen, wie das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht, kamen erst im letzten Moment zustande. Und die USA stehen inzwischen isoliert da: Immerhin gesellte sich die Gruppe der G 77, zu der Entwicklungsländer, ölexportierende Staaten und China zählen, überraschend zur EU und ihrem Ansinnen, den Ausstoß bis 2010 um 15 Prozent zu senken. Sie setzen sogar noch eins auf den EU-Vorschlag drauf: Bis 2020 verlangt die G 77 eine Minderung um dann 35 Prozent. Daß sich auch die Opec-Staaten dem Druck der kleinen Inselstaaten in der G 77 beugten, klare Reduktionsziele zu akzeptieren, ist eine Überraschung. Die Opec gehörte schließlich bislang aus Angst um den Ölpreis zu den Bremsern. Doch die große Schwellenländer in den G 77 wie China, Indien und Brasilien bangen wohl um ihren Wachstumsspielraum in der Zukunft, wenn die Industrieländer irgendwann die Notbremse ziehen müssen, weil sie erst mal weiter wie bisher Treibhausgase produzieren.
Damit sind die Fronten vor den Klimaverhandlungen in Kioto geklärt: Auf der einen Seite also die EU und die G 77, die deutlich weniger klimaschädliche Gase ausstoßen wollen, auf der anderen Seite die USA, Kanada, Norwegen und Australien, die den Ausstoß bis 2010 bestenfalls stabilisieren wollen. Dazwischen steht Japan, deren Position allerdings näher bei den USA liegt und einige Schlupflöcher läßt.
Schlupflöcher waren überhaupt ein wichtiges Thema in Bonn: Das bisherige Papier ist noch löchrig wie ein „Schweizer Käse“, errechnete Greenpeace. Alle Löcher zusammen ließen noch Platz für eine Erhöhung des Ausstoßes um weltweit bis zu 35 Prozent. Allein fünf bis zehn Prozentpunkte kämen zusammen, falls der Ausstoß von Schiffen und Flugzeugen auf internationalen Routen weiter ausgenommen bleibt. Und so weiter. Sicher werden sich nicht alle Löcher schließen lassen. Doch auch im Montrealer Protokoll existieren welche – trotzdem hilft es der Ozonschicht. Matthias Urbach
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