: Hoeneß kämpft um Arbeitsplätze
Beim 2:2 zwischen 1860 und den Bayern mühen sich Werner Lorant und Mario Basler erfolgreich, ein gutes Bundesligaspiel mit etwas Bierzeltfolklore zu versauen ■ Aus München Nina Klöckner
In Zeiten wie diesen ist es nicht immer leicht, die Relationen zu bewahren. Schließlich wird das Leben immer komplexer und undurchschaubarer. Woody Allen stellte in seinem letzten Film beispielsweise fest, daß er, wenn er sich in Paris vom Eiffelturm stürzen wollte, am besten ein besonders schnelles Flugzeug wählen sollte. Dann könnte er in Europa schon tot sein und zur gleichen Zeit in New York noch etwas erledigen. Wer soll da noch durchblicken?
Da kann man selbst einem Weltmann wie Uli Hoeneß keinen Vorwurf machen, wenn er die Dinge manchmal ein wenig durcheinanderbringt. Als am Samstag das Licht im Olympiastadion erloschen war, trat der Manager des FC Bayern in den Katakomben vor die Mikrophone und sprach von der Ungeheuerlichkeit, die sich an diesem Nachmittag ereignet hatte: „Ich finde es ungehörig, daß ein Trainer versucht, einem jungen Mann den Arbeitsplatz wegzunehmen.“ Der Trainer ist Werner Lorant von 1860 München, der junge Mann Sammy Kuffour, Abwehrspieler bei Bayern München.
Doch erst mal zur Vorgeschichte: Fast siebzig Minuten sah es so aus, als sei das 186. Münchner Derby zwischen dem TSV 1860 und dem FC Bayern ein völlig normales Bundesligaspiel. Die CSU hatte den Anpfiff zwei Stunden nach hinten verlegen lassen, damit ihren braven Untertanen genügend Zeit blieb, mit den Toten Frieden zu schließen. Die Stunden der Besinnung schienen allen gut bekommen zu sein.
Die Löwen begannen ziemlich entschlossen. Harald Cerny vernaschte die Bayern auf der rechten Außenbahn gleich reihenweise. Zur Belohnung gab es ein paar Eckbälle und nach zehn Minuten das erste Tor. Bernhard Winkler drosch die Kugel in die gegnerische Abwehr, so daß sie zu seinem Kollegen Cerny sprang. Der prüfte Bayerns Torhüter Oliver Kahn, Horst Heldt nickte den Abpraller gemütlich ein. Danach hätten die Löwen ihre Führung ausbauen können. Aber wie das zur Zeit eben so ist, „hat meine Mannschaft richtig reagiert“, sagte Coach Giovanni Trapattoni. Die Bayern erhöhten den Druck und schafften noch vor der Pause durch Dietmar Hamann den Ausgleich (35.).
Auch nach dem Wechsel ging es munter weiter. Marco Walker schickte Winkler mit einem Steilpaß los – 2:1 (52.). Wenig später plazierte Mario Basler (54.) einen Freistoß im Tor. Danach hatte der 1860-Torelieferant Bernhard Winkler noch drei Chancen, die Münchner Stadtmeisterschaft nach zwanzig Jahren endlich mal wieder für seinen Verein zu entscheiden, kam an Kahn aber nicht mehr vorbei.
Die beiden Trainer hatten jedenfalls eine „schöne Partie“ (Trapattoni) und ein „klasse Spiel“ (Lorant) gesehen. Bis zur 68. Minute. Da holte Kuffour den Löwen Cerny von den Beinen und sah dafür die rote Karte. Allerdings nur, glaubten die Bayern, weil Lorant dies von der Außenlinie gefordert habe. Was dem an diesem Nachmittag noch ziemlichen Ärger einbrachte. Der bestrafte Übeltäter mußte von seinem Pressesprecher in die Kabine gezerrt werden. Mario Basler ging unterdessen mit dem nackten Finger auf Lorant los („Du bist Schuld“), fing sich dafür aber sofort einen heftigen Rempler von Lorants Bodyguard Peter Pacult ein.
Der krankgeschriebene Lothar Matthäus stürzte sich selbstlos zwischen die beiden Streithähne, um neuen Stoff für seine Memoiren zu sammeln. Viel wird es ihm nicht gebracht haben. Lorant, immerhin einer der Hauptakteure, hat weder „etwas gesagt, noch etwas gehört“. Aber Uli Hoeneß hatte genug gesehen, um Schiedsrichter Krug („wiederholter Fall von Arroganz“) für zukünftige Bayern- Spiele den Arbeitsplatz verweigern zu wollen („Den lehnen wir ab“) und Lorant flugs wegen Arbeitsplatzvernichtung anzuklagen.
Was ein bißchen übertrieben scheint. Schließlich muß Kuffour höchstens ein paar Spiele pausieren, was ihm beim derzeitigen Terminplan seines Klubs nicht sonderlich schwerfallen dürfte. Außerdem hatte Lorant „keine rote Karte gefordert“. Na klar. „So etwas würde ich nie tun“, sagte er. Auch er hat an diesem Tag einiges durcheinandergebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen