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Eiserner Sozialhelfer

■ Ab jetzt kommt Sozialhilfe für 280 Empfänger aus dem Automaten / Software-Problem gelöst

Der junge Sozialhilfeempfänger guckt skeptisch. „Hier kann ich meine Kohle abfassen?“Er steckt die Chipkarte in den Schlitz, dort wo freundlich ein grüner Pfeil blinkt. Dann beginnt – begleitet von Tönen, die man sonst nur von der automatischen Horoskoperstellung kennt – der neue Geldautomat im Sozialamt Bremen Mitte-West die Sozialhilfe auszuspucken.

Gestern ging der Automat in Betrieb, obwohl die Maschine schon seit sieben Monaten ungenutzt im Erdgeschoß des Sozialamtes steht. Probleme mit der Software hatten den Start hinausgeschoben. „Das Ende einer unendlichen Geschichte“, sagt der Abteilungsleiter Mitte-West, Herbert Wiedermann. Gekostet hat der Automat, trotz der Verzögerung, genau das geplante Budget von 400.000 Mark.

280 Sozialhilfeempfänger in Bremen-Mitte sollen am Automaten ihr Geld erhalten. Sie gehören zu der Gruppe sozial Schwacher, denen keine Bank ein Konto eröffnet. Bisher erhielten sie ihre Stütze über Scheck, den sie bei der Sparkasse einlösten. Die Sparkasse hatte jedoch das Scheckabkommen gekündigt, die Sozi-Empfänger gehen nicht mehr zur Bank. Gegner des Automaten sprechen deshalb von einer sozialen „Ausgrenzung“.

Wiedermann findet dagegen den neuen Automat schlicht praktisch. Das Verfahren sei einfach: ein Sachbearbeiter lädt die Chipkarte mit dem errechneten Sozialhilfebetrag für die Woche oder den Monat auf. Der Automat liest den Chip,behält die Karte ein und zahlt den Betrag aus – sogar das Münzgeld. Die „verbesserte Dienstleistung“sei, daß das Geld sofort auftaucht, so Wiedermann. Beim Scheck mußte man bis zum nächsten Tag warten.

Der Freude über das schnelle Geld folgt rasch die Ernüchterung. „Hundert Mark für eine Woche“, schimpft ein älterer Mann, nachdem der Automat gezahlt hat. Doch anders als bei einem Bankangestellten kann man mit der Maschine nicht streiten. Gegen den Automaten zu treten ist auch verboten. Bei einer größeren Erschütterung kommt sofort die Polizei. susa

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