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„Wahlbetrug wie unter der Kolonialverwaltung“

■ Said Sadi, Oppositionspolitiker in Algerien, über den neuen zivilen Protest gegen das Militärregime

Said Sadi ist Chef der algerischen Partei „Versammlung für Kultur und Demokratie“ (RCD), die vor allem in der Kabylei stark ist, einen harten Kurs gegen die Islamisten vertritt und zugleich in Opposition zum Militärregime steht. Die RCD hat mit fünf anderen Parteien, darunter zwei islamistischen Gruppen, ein Bündnis geschlossen, um gegen die Wahlfälschungen bei den Kommunalwahlen vom 23. Oktober zu protestieren.

taz: Beim Verfassungsreferendum 1996 gab es schon Wahlbetrug, bei den Parlamentswahlen im Juni auch. Warum geht die Opposition erst jetzt auf die Straße?

Said Sadi: Wir und viele andere Parteien haben jedesmal protestiert. Allerdings konnten wir uns damals nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die bisherigen Wahlgänge fielen mit brutalsten terroristischen Gewaltwellen zusammen. Öffentliche Veranstaltungen oder gar Demonstrationen waren einfach unmöglich.

Algeriens Innenminister hat mit der ganzen Härte des Gesetzes gedroht, falls die Demonstrationen weitergehen. Wie werden Sie darauf reagieren?

Wir werden selbstverständlich weitermachen. Wer dafür eintritt, daß sein Land Hoffnung zurückgewinnt, kann sich nicht von Angst leiten lassen. Es war der Innenminister, der sich nicht an die Gesetze hielt, als es darum ging, das Recht der Bürger auf freie Wahlen und damit auf freie Meinungsäußerung zu garantieren. Gestern hat er abermals die Gesetze verletzt, indem er sich hinter die Provinzverwaltungen stellte, die unter Wahlbetrug zustande kamen.

Das Spektrum des Protestbündnisses reicht von Ihrer radikal-laizistischen RCD bis hin zu islamistischen Kräften. Sind diese Parteien nicht zu unterschiedlich?

Genau darin liegt unsere Stärke. Damit die Proteste gegen den Wahlbetrug Erfolg haben, ist eine breite Bewegung mit viel Ausdauer notwendig. Das ist es, was wir den Geist von Belgrad nennen. Unser Oppositionsbündnis hat sich über alle ideologische Differenzen hinweg auf wesentliche Punkte verständigen können: die Forderung nach sofortiger Annullierung der Wahlen, nach einer transparenten Politik und die Nichtteilnahme an den Provinz- und Gemeinderäten, solange keine neuen, sauberen Wahlen stattgefunden haben.

Gerade bei Ihrer Partei rumort es an der Basis. Viele ihrer Anhänger wollen nicht einsehen, warum sie plötzlich mit Islamisten gemeinsame Sache machen sollen.

Wir haben kein einziges unserer politischen Ziele über Bord geworfen. Die Bewegung gegen den Wahlbetrug ist eine zutiefst republikanische Bewegung. Wenn überhaupt, dann sind die Islamisten von ihren Grundwerten abgerückt.

Was werden Sie machen, falls Präsident Zéroual nicht nachgibt?

Das muß dann jeder für sich selbst entscheiden. Im Augenblick ist nur eines klar: Präsident Zéroual hat die gesamte politische Klasse des Landes gegen sich. Wir werden auf keinen Fall einen Wahlbetrug hinnehmen, wie wir ihn bisher nur unter der Kolonialverwaltung kennengelernt haben. Interview: Reiner Wandler,

Madrid

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