: Saftig-sattes Rot mit matt-grünen Punkten
■ Rot-grüne Koalition: Auch bei der Migrationspolitik setzt sich die SPD durch. GAL bekommt drei leichtgewichtige Senatsposten: Wissenschaft, Umwelt, Stadtentwicklung
Nach zwölfstündigem Verhandlungsmarathon schleppten sich die GAL-Verhandlungsführerin Krista Sager und der designierte Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) am Montag kurz vor Mitternacht endlich vor die Presse. „Wir wollten heute fertig werden, und siehe da, wir haben es geschafft“, frohlockte Runde.
Der rot-grüne Koalitionsvertrag steht. Am Donnerstag soll er von den 24 Mitgliedern der Verhandlungskommission unterschrieben werden, bevor das Regierungsprogramm am Sonntag (GAL) und Montag (SPD) den Parteitagen vorgelegt wird. Denn schon für Mittwoch nächster Woche ist die Wahl des neuen Senats in der Bürgerschaft geplant.
Bei der Verteilung der Senatsposten fiel das Verhandlungsergebnis der GAL noch schlechter aus als erwartet. So soll der ursprünglich als Finanzsenator gehandelte Willfried Maier nun die kleine Stadtentwicklungsbehörde übernehmen. Diese „Schlüsselposition“sei für die Grünen „besonders interessant“, redete Sager die magere Ausbeute schön.
Tatsächlich wollte die GAL die Stadtentwicklung in die Umweltbehörde integrieren. Nun bleiben es zwei nur mäßig einflußreiche Ressorts. Denn: Der Verkehr wird ebenso bei der Baubehörde verharren wie die Flächenpolitik des Hafens Bestandteil der Wirtschaftsbehörde bleibt.
Krista Sager wird erwartungsgemäß Zweite Bürgermeisterin und Chefin der Wissenschaftsbehörde. Ihrem Ressort soll das Senatsamt für Gleichstellung angegliedert werden. Für die Umweltbehörde bewerben sich laut Sager weiterhin Alexander Porschke und die ehemalige Baustadträtin aus Berlin-Kreuzberg, Erika Romberg.
Wer den drei grünen SenatorInnen als Staatsrat zur Seite stehen soll, ist noch unklar. Als aussichtsreichster Kandidat für die Umweltbehörde gilt der Ex-GAL-Abgeordnete Michael Pollmann, der bis Anfang der 90er Jahre selbst in der Umweltbehörde arbeitete und seitdem im Brüsseler „Hanse Office“für Umweltfragen zuständig ist.
Für das Ressort Stadtentwicklung wünscht sich die GAL die parteilose Münchner Stadtbaurätin Christiane Thalgott, die sich als Verhinderin von Grundstücksspekulationen einen Namen gemacht hat. Sie wurde aber noch nicht gefragt. Wer Krista Sagers Staatsrätin wird, ist dagegen noch völlig offen.
Die übrigen acht Senatsposten bleiben in den Händen der SPD. Über die Besetzung will Runde sich erst Gedanken machen, wenn „ich ausgeschlafen habe“. Verkleinert wird der Senat allerdings nicht.
Auch bei der Migrations- und Flüchtlingspolitik hatte die GAL am letzten Verhandlungstag herbe Rückschläge einstecken müssen. Der SPD-Bundesratsantrag – Bürgerkriegs- und minderjährige Flüchtlinge auf alle Bundesländer zu verteilen – wird aufrecht erhalten. Die Ausländerbehörde wird zwar weiter dezentralisiert, aber der Flüchtlingsbereich bleibt ausgenommen. Auch Sammelunterkünfte in Form der Pavillondörfer bleiben bestehen. Flüchtlinge werden bestenfalls in Sozialwohnungen mit abgesenktem Standard untergebracht.
Die ausländischen Partner schwullesbischer Paare erhalten kein Bleiberecht. Auch Abschiebungen wird es weiterhin geben, Abschiebehaft soll allerdings nur in Einzelfällen verhängt werden. Außerdem will der rotgrüne Senat früher als bisher Abschiebestopps verhängen. Auf Bundesebene will man sich für die Anerkennung sexueller Mißhandlung als Fluchtgrund einsetzen.
Mit ihrer Forderung, eine Härtefallkommission und ein psychosoziales Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge einzurichten, scheiterte die GAL. Auch aus dem Büro des Ausländerbeauftragten wird kein Amt für Multikulturelle Angelegenheiten nach Frankfurter Vorbild. Es wird lediglich um den Bereich Flüchtlinge erweitert.
„40 Prozent ist gut, der Rest ist Mist“, kommentierte gestern der GAL-Abgeordnete Mahmut Erdem das Ergebnis. Die grüne Unterhändlerin und Migrationspolitikerin Anna Bruns will gar noch überlegen, ob sie den Koalitionsvertrag überhaupt unterschreibt.
Silke Mertins/Heike Haarhoff
Siehe auch Seiten 3 und 22
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