: 23 Absichtserklärungen: Lateinamerika wird gut
■ Ab heute tagt in Venezuela der Ibero-Amerika-Gipfel über Demokratie und Menschenrechte
Buenos Aires (taz) – Demokratie und Menschenrechte, das sind die offiziellen Themen des Gipfeltreffens von 23 Staaten aus Lateinamerika und der Karibik sowie der ehemaligen Kolonialmächte Spanien und Portugal, das heute in Venezuelas Hauptstadt Caracas beginnt. Noch vor kurzem gehörten Militärputsche in der Region zum politischen Alltagsgeschäft, aber auch heute noch sehen es einige Regierungen wie die von Peru oder Paraguay nicht immer so eng mit den Menschenrechten. In Argentinien laufen Verbrecher der Militärdiktatur frei herum, in Chile besetzen sie sogar Senatssitze, und in Bolivien gewann im Juni der Exdiktator Hugo Banzer die Wahlen auf demokratischem Wege. So sieht denn auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Polizei und Armee „das größte Hindernis einer demokratischen Entwicklung“ in Lateinamerika, wie die Gruppe am Donnerstag in Margarita mitteilte.
Doch davon wird auf dem Gipfel nur wenig zu hören sein. Das Abschlußdokument fällt traditionell eher dünn aus. In der zu unterschreibenden „Erklärung von Margarita“ ist von der Gleichstellung von Mann und Frau ebenso zu lesen wie von Aufrufen zur Kooperation.
Immerhin gesteht das Dokument ein, daß sich zwar die Wirtschaft in Lateinamerika erholt hat, die soziale Situation für weite Teile der Bevölkerung aber immer schwieriger wird. Die Armut „verlangt nach Programmen, die der Bevölkerung einen Zugang zu Bildung, Gesundheitsfürsorge, Justiz und Infrastruktur zur Verbesserung der Lebensqualität garantieren“, so das Lippenbekenntnis der Staatschefs.
Fast wäre es bei den Verhandlungen über die Abschlußerklärung zu einem Skandal gekommen. In der Rohfassung wurde auf Vorschlag der venezolanischen Regierung in einem Absatz noch das „Recht auf wahre Information“ garantiert. Der Interamerikanische Presse-Verband (SIP) schlug Alarm und nannte den Vorschlag „eine totalitäre Versuchung“. Für Miguel Henrique Otero, Direktor der in der venezolanischen Hauptstadt Caracas erscheinenden Zeitung El Nacional, ist die Initiative „eine argumentative Falle“, die auf dem besten Wege ist, „Zensurmechanismen und Selbstzensur zu fördern“. Später wurde das „Recht auf wahre Information“ durch das simple „Recht auf Information“ ersetzt, die Meinungsfreiheit gewährleistet, eine Pressezensur abgelehnt. Dabei arbeiten in etlichen Unterzeichnerländern die Journalisten unter einem hohen staatlichen Druck, einige müssen sich schützen.
Wer der Medienstar auf dem Gipfel sein wird, ist jetzt schon klar: Es ist, wie immer, Fidel Castro. Zwar hat sich die venezolanische Regierung vorgenommen, ihm die Schau nicht allzu leicht zu machen, und vorsichtshalber alle Demonstrationen für oder gegen den kubanischen Staatschef verboten. Aber wenn er für solche Ereignisse das Olivgrün mit dem dunklen Anzug tauscht, wird er doch wieder im Blickfeld aller Journalisten sein. Kuba soll 1998 Gastgeber des Gipfels sein – und angeblich haben sich einige Staatschefs vorgenommen, Fidel Castro am Rande des Programms damit zu drohen, daß man den Gipfel bei anhaltender Unwilligkeit zu politischer Reform in Kuba auch woanders abhalten könne. Ingo Malcher
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