Tanzen! Tanzen! Tanzen!

■ Dackelblut und Snuff, zu Gast im Schlachthof, weckten via Punkrock nostalgische Gefühle bei Dr. Blohm und Herrn Voss

Auf der Irrfahrt durch die Traditionen der Avantgarde machten sich taz-Kulturexperte Dr. Blohm und sein treuer Begleiter Herr Voss am Freitag auf den Weg zum Pogorock-Konzert von Dackelblut und Snuff im Schlachthof.

Herr Voss: Die Schlange für die Gästeliste ist noch länger als die an der Kasse.

Dr. Blohm: Vielleicht möchten sie lieber bezahlen, Voss?

Voss: Nein, nein, natürlich nicht.

Blohm: Dackelblut fangen gerade an. Sehen sie, die Wahl ihrer Garderobe ist wirklich beängstigend. So viel urwüchsiger Stilbruch ist selbst für Hamburger eine reife Leistung.

Voss: Ich hab auch noch so eine Hose , für die Gartenarbeit.

Blohm: Haben sie das Dackelblut-Merchandising gesehen ? Regenmäntel, Küchenschürzen, Badehosen, was für eine glänzende Ironie neben der ganzen Hardcore-Herrenoberbekleidung.

Voss: Die Band ist allerdings nicht gerade in Höchstform.

Blohm: Ja, eine gewisse Lustlosigkeit ist ihnen nicht abzusprechen. Der Herr Jensen macht auch keine Ansagen, aber vieleicht wäre das auch zu viel an Sozial-Kitsch. Ich mag es eigentlich nicht, wenn Intellektuelle auf Proletenkult machen und sich dann über Abgrenzung definieren. Die Jungs wollen nicht mit der „Spex“reden, spielen aber auch mit fieser Security auf der Popkomm. Punk ist ein alter Witz, über den niemand mehr lachen kann. Dackelblut sind zumindest noch echter Schmuddel, alte Schule der Armuts-Aristokratie.

Voss: Das Publikum ist auch noch reichlich mit Gesellschaftsspielen beschäftigt. Ich meine, wen man hier alles trifft!

Blohm: Und alles unterhält sich über die neuesten Cocktails. Man geht ja auch nicht mehr wegen der Bands auf Punk-Konzerte.

Voss: Also, ich eigentlich schon.

Blohm: Sie gehen doch überall hin, wo man sie hinschickt.

Voss: Ich kann mich jedenfalls noch an das letzte Konzert von Snuff erinnern, als der dicke Drummer von Wat Tyler auf die tanzenden Veganer gedived ist.

Blohm: Was sind sie doch für ein schlichtes Gemüt, Voss.

Voss: Ich weiß zumindest, was mir gefällt. Sie sind ja wieder mit gar nichts zufrieden.

Blohm: Ich bin Kritiker. Es ist mein Beruf mit nichts zufrieden zu sein und dabei eine Menge Alkohol zu trinken.

Voss: Bier trinken ist ein hartes Geschäft.

Blohm: Wem sagen sie das. Snuff muß man das wohl auch nicht mehr erzählen.

Voss: Wieso tanzen die Leute eigentlich nicht ?

Blohm: Das halbe Publikum ist über 30. Da will sich wohl niemand eine Blöße geben.

Voss: Hauptsache Snuff spielen einen Hit nach dem anderen.

Blohm: Was sollen sie denn sonst tun?

Voss: Sie sind wirklich ein negativer Mensch, Blohm.

Blohm: Es ist halt nicht einfach, anspruchsvoll zu sein. Snuff spielen doch schon ihr eigenes Revival durch. Das ist eine derartig altbackene Rock-Nummer, die hier geboten wird. Sicher sind die Stilmittell in der Popmoderne beliebig geworden, aber ich weiß nicht, ob eine Jugendkultur für unverbesserliche 30jährige überhaupt Impulse vermitteln kann.

Voss: Immerhin tritt die Anarchistische Pogo Partei Deutschland nun zur Bundestagwahl an.

Blohm: Ja, das ist wirklich ein schöner Trost. Aber mir hat das Konzert-Plakat sehr gut gefallen. Das ist eine Schabkarton-Arbeit, nicht einfach dieser unsägliche Typographie-Terror. Haben sie eigentlich einen Computer, Voss?

Voss: Nein, aber ich habe eine Playstation. Wenn sie mögen, lade ich sie noch auf eine Runde „Extreme Games“ein.

Blohm: Gehen wir.