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■ Nebensachen aus Washington„Für fünf Dollar Sprit an Pumpe vier, bitte“

„Ich habe aber kein Geld“, sagt der Mann lachend über das verblichene Blau des Autodachs hinwegsehend und so laut, daß man es auf der anderen Straßenseite hören kann. Seine Worte gelten der Frau am Steuer. Sie sieht erschöpft und resigniert aus. Ehestreit beim Wocheneinkauf. Was man sich so zusammenreimt über Menschen, die man auf dem Nachhauseweg beobachtet.

Dann, an der nächsten Straßenecke plötzlich dieses Flüstern: „Ssst, hey, Sie, entschuldigen Sie – bitte!“ Es ist die Frau ohne Haushaltsgeld. Sie lehnt sich über den Beifahrersitz hinweg aus dem rechten Wagenfenster. „Bitte, halten Sie mich nicht für verrückt.“ Die Frau sieht verzweifelt aus. Sie hat Schweißperlen auf dem Gesicht. „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin keine Schnorrerin, ich bin Friseuse, aber ich muß nach Virginia, und mein Tank ist fast leer. Ich kann Ihnen das Geld zurückschicken. Ich brauche nur ein paar Dollar.“

Wie kommt man nur aus solch einer Situation heraus? Wo hier wohl eine Tankstelle ist? Die Frau ist mager, nicht schlank, das blonde Haar ist in einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie raucht. Ja, richtig, drüben auf der 18th Street. „Sie müssen drehen und da drüben rechts, ein, zwei Querstraßen weiter, da ist eine Tankstelle. Ich – ich – ich treffe Sie da.“

„Aber Sie können doch einsteigen“, entgegnet sie, „wir fahren zusammen hin.“ Beinahe wäre ich eingestiegen, hatte die Tür schon aufgemacht, da sah ich den Boden voller Kippen, zum Teil kaum angeraucht und ausgetreten. „Ach nein, ich laufe lieber. Es ist nicht weit.“

Statt den Hügel hoch, gehe ich die Florida Avenue nach rechts, sehe aus den Augenwinkeln, wie sie wendet, wundere mich aber, wieso sie mich nicht überholt. Zur Tankstelle sind es doch vier Straßen weiter rechts, nicht zwei. Wer nicht da ist, ist die blasse Frau in ihrem verblichenen Auto.

Die dachte bestimmt, ich wollte sie bloß loswerden. Aber sie hat doch gesehen, wie ich die Richtung gewechselt habe. Ach was, die wollte gar kein Benzin, eher Geld für den nächsten Druck. Aber warum hat sie mich dann gebeten einzusteigen? Wer weiß, was dann geschehen wäre. Diese schmächtige Frau? Na ja, so nervös wie die war, wäre sie gegen den nächsten Bordstein oder das nächste Auto gefahren. Dabei könnte ihre Geschichte doch stimmen. Was, bitte schön, macht man, wenn einem plötzlich das Geld für Benzin fehlt?

Betteln tun hier in Washington hauptsächlich Schwarze. Sie geben keine Erklärungen für ihre Lage ab. Das tun nur Weiße. Wer sich mit einer Handvoll 25 Cent- Stücke versieht, kommt durch den Tag. Aber Bettler im Auto?

Drei Minuten stehe ich bestimmt schon an der Tankstelle. Aber ich habe gesagt, ich treffe sie hier, also warte ich. Wollte sie mich auch nur anschnorren, ich wollte ihr helfen. Wirklich? Habe ich nicht nur einen kleinen Umweg gemacht, um sie loszuwerden und der peinlichen Situation zu entkommen?

Jetzt habe ich lange genug gewartet. Wo kommt die denn auf einmal her? Sie hat sich verfahren, sagt sie. Wenn ich ihr jetzt das Geld gebe ... Da fällt mir ein, daß man hier an der mit Panzerglas versehenen Kasse vorher zahlt. „Reichen fünf Dollar?“ „Vielen, vielen Dank“. „Für fünf Dollar Sprit an Pumpe 4, bitte!“ „Halt! Ihre Adresse!“ ruft sie mit einem gequälten Gesichtsausdruck und hält ein abgerissenes Stück Pappe in der Hand. „Vergessen Sie es!“

Auf dem Weg nach Hause weiß ich nicht, ob ich zufrieden oder beschämt sein soll. Peter Tautfest

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