piwik no script img

Grüne Wege aus der Beschäftigungskrise

VertreterInnen grüner Parteien in Europa fordern eine Ökologisierung der Wirtschaft und drastische Arbeitszeitverkürzung. Dreitägiger Kongreß präsentiert Zwanzig-Punkte-Programm  ■ Aus Luxemburg Danièle Weber

Einen „Europäischen Pakt zu Beschäftigung und Solidarität“ forderten Europas Grüne am Wochenende auf ihrem Beschäftigungsgipfel, den sie im Vorfeld zum offiziellen EU-Gipfel der Arbeits- und Sozialminister in Luxemburg abhielten.

Zum Abschluß des dreitägigen Kongresses präsentierten sie ein Zwanzig-Punkte-Programm, das den grünen Ausweg aus der Beschäftigungskrise beschreibt: Europäische Umweltsteuern etwa sollen helfen, die Wirtschaft zu ökologisieren, um nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche könnte den Weg bahnen zur „Vollbeschäftigung neuen Typs“, die eine flexiblere Lebensgestaltung ermöglicht und zugleich sozial absichert.

Zentral im grünen Konzept ist die Forderung nach einem solidarwirtschaftlichen Sektor, auch „Non-profit“-Sektor genannt. Gemeint ist damit eine Branche, die zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft solche Güter und Dienstleistungen anbietet, die weder Markt noch Staat hergeben. „Der Luxemburger EU-Beschäftigungsgipfel darf kein weiterer Gipfel der Deregulierung werden“, erklärte Frieder Otto Wolf, deutsches Mitglied im Europaparlament, im Anschluß an den Gipfel. „Wir treten dafür ein, daß europaweit die Beschäftigungspolitik koordiniert und verbindliche Abmachungen zwischen den Regierungen getroffen werden.“

Allein durch Arbeitszeitverkürzung, so Wolf, sei in der Bundesrepublik die Schaffung von 3,9 Millionen Arbeitsplätzen möglich. Konkret forderten die Grünen die europäischen Regierungen auf, sich auf dem EU-Beschäftigungsgipfel Ende November zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit um mindestens 50 Prozent zu verpflichten.

Die Chancen, daß tatsächlich Maßnahmen auf EU-Ebene beschlossen werden, stehen jedoch nicht gut. Das konnte Luxemburgs Premierminister und derzeitiger EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker bestätigen, den die Grünen zum Rundtischgespräch gebeten hatten. Vergangene Woche hatten sich die europäischen Arbeits- und Sozialminister zur Vorbereitung des EU-Beschäftigungsgipfels in Brüssel getroffen und bei einer Probeabstimmung demonstriert, daß sie sich auf keine verbindlichen Ziele festlegen wollen. „Ich bin enttäuscht“, sagte Juncker auf dem grünen Gipfel und warf den einzelnen Mitgliedstaaten mangelnden Handlungswillen vor.

Die Grünen ihrerseits sind europaweit bereit: Sehr deutlich war auf dem Luxemburger Gipfel der grüne Regierungswille zu spüren, und Aufbruchstimmung kam vor allem dann auf, wenn französische VertreterInnen das Wort ergriffen. „Ich fühle mich wohl in dieser Regierung“, ermutigte Dominique Voynet, Frankreichs erste grüne Ministerin für Umwelt, ihre ParteikollegInnen und plädierte dafür, „Kompromisse einzugehen, ohne sich zu kompromittieren“. Den Umbau in Europa könne es allerdings nur geben, wenn auch Deutschland eine neue Regierung in die Brüsseler Verhandlungen schickt, fügte die deutsche Europaabgeordnete Claudia Roth hinzu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen