piwik no script img

Die Reptilien des Herrn Korf

■ Berliner Zimmer, Teil 1. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Herr Korf:

Angefangen hab ich schon vor ungefähr zwanzig Jahren. Manche Sachen waren in der DDR schwer zu bekommen, aber mit Beziehungen ging's. Das Zimmer hier habe ich vor zehn oder elf Jahren angefangen einzurichten. Die Terrarien standen davor in einer anderen Wohnung in der Küche, und das war ziemlich beengt mit den Kindern noch, da war so eine Küchenwand voll. Dann sind wir hierhergezogen, das hier war eine Kammer, und da habe ich die als Hobbyzimmer gemacht. Es ist immer noch zu klein.

Das Krokodil war einen Meter lang, als ich es bekommen hatte. Da war jemand verstorben, und die Frau hat es verkauft. Es hat als einziges einen Namen, Mobby. Es frißt Fisch, Fleisch, Mäuse, Ratten, eigentlich alles. Einen Arm kann es schon rausreißen, wenn es richtig fest zuschnappt. Wenn man am Gitter zu tun hat, dann faucht es wie eine Lok und reißt die Schnauze auf. Früher hatte ich ihn unter der Dusche und geschrubbt, das läßt er sich nicht mehr gefallen, da war er auch noch ein bißchen kleiner. Wenn er schwimmt, dann spritzt es. Wenn im Sommer die Sonne drauf steht, dann steht er am Fenster und sonnt sich.

Kornnatter, Albinos, gefährlich sind die mexikanische Mokassinotter, Klapperschlangen sowieso, die haben letztes Jahr Junge gekriegt, die Hornotter, ein Kupferkopf, die sind auch giftig. Hier noch ein grüner Leguan, da ist ein Steppenwaran. Der ist wie ein kleiner Mülleimer, der frißt alles, was ihm vor die Schnauze kommt. Hundefutter, Mäuse, Ratten, Küken. Wir hatten die Küken zu Ostern, und danach wurden sie dann verfüttert.

Da sind noch ein paar Kornnattern, ein paar Eierschlangen. Die fressen Finkeneier oder Hühnereier. Die werden erst mal mit der Spritze großgezogen. Wenn die sich bedroht fühlen, dann rasseln die. Wegen der Sicherheit sind die giftigen mit Vorhängeschlössern eingesperrt. Die sind auch dem Naturschutzamt gemeldet. Die müssen alle gemeldet sein, auch die ungiftigen. Wenn man die kauft, kriegt man auch Papiere. Die wollen das auch alles sehen. Die kommen hier immer mit Mannschaft an. Ob alles artgerecht ist, ob das Zimmer hier sicher ist. Die haken dann ab, was ich hier habe.

Ich habe ja eine Kartei auf dem Amt. Ich darf die nicht verkaufen, höchstens an Reptilienzüchter abgeben. Die Hygiene kommt auch. Ich habe schon von klein auf alles angeschleppt, was ging. Meine Mutter hat immer gesagt, ein Pferd und eine Kuh, die fehlen dir noch, dann wär alles komplett. Eidechsen, Ringelnattern, Wasserschildkröten, Wasserschlangen. Ich habe mit ein paar Nattern angefangen, dann ging es mit einer Boa constrictor weiter.

Hier sind noch Kettennattern, da Skorpione, meine eigene Zucht, die kommen noch nicht durch die Haut durch. Eine Tarantel, die haben dünnere Beine als die Vogelspinnen. Die grünen hier sind Spitzkopfnattern, also Baumschlangen. Die haben sich gerade gehäutet. Die fressen Vögel, Mäuse, Hamster, Ratten.

Die Mäuse muß ich züchten. Eine Maus kostet ja inzwischen zwei, drei Mark. Gefüttert wird nur einmal im Monat. Wenn ich wegfahre, müssen nur die Mäuse gefüttert werden, und die Spinnen brauchen etwas Feuchtigkeit. Die Vogelspinnen fressen Heimchen, Grillen und Mäusebabys. Die füttere ich alle vierzehn Tage. Die werden so zehn Jahre alt. Ein paar schöne bunte Spinnen hätte ich noch gerne. Hier ist schon eine ganz blaue. Die hier hat gelbe Füße. Da die mexikanische ist auch sehr bunt.

Das Licht hier in den Terrarien geht morgens um zehn an und abends um elf wieder aus. Früher hatte ich normale Glühbirnen, doch jetzt habe ich überall Sparbirnen. Heizung brauche ich nur im Winter, die Tiere passen sich ja an.

Ein Kaiman, der hat mich mal erwischt, der hat mich so kurz am Kinn geschnappt. Eine Giftschlange hat mich noch nicht erwischt. Daß die anderen mal schnappen, ist ganz normal.

Das auf dem menschlichen Schädel, was aussieht wie eine Vogelspinne, das ist nur die Haut, die von der Häutung übrigbleibt. Den Schädel habe ich auf einer Baustelle in Spandau gefunden. Da haben wir einen Spielplatz gemacht, wo früher ein Friedhof gewesen ist. Wir haben da einen Graben gezogen, genau auf die Sargreihe, da sind die Dinger alle rausgerollt. Da kam der Auftraggeber: „Schnell wieder zuschütten, das gibt Ärger!“ Da hab ich den hier mitgenommen, der paßt gut hierhin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen