: CDU-Reformer wieder abgetaucht
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die doppelte Staatsbürgerschaft endgültig begraben. Einen Gruppenantrag wird es wohl auch nicht geben. Als es darauf ankam, waren die „jungen Wilden“ nicht mehr zu sehen ■ Aus Bonn Markus Franz
„Dies ist der schwärzeste Tag meines politischen Lebens“, sagte der CDU-Abgeordnete Peter Altmaier am Dienstag abend auf der Autobahn zwischen Bonn und seinem Wahlkreis Saarlouis. Zu diesem Zeitpunkt konnte er nur ahnen, daß gerade in Bonn das Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft, für das er wie kein anderer in der Union steht, in dieser Legislaturperiode wohl endgültig zu den Akten gelegt wurde.
Nach dem CDU-Vorstand hat am Dienstag abend auch die CDU/ CSU-Fraktion mit großer Mehrheit für einen von Innenminister Manfred Kanther vorgelegten Antrag gestimmt, der an Stelle einer automatischen Einbürgerung für in Deutschland geborene Kinder von Ausländern eine Einbürgerungszusicherung vom 18. Lebensjahr an vorsieht. Nach Ansicht von SPD und Grünen, FDP und den sogenannten jungen Wilden um Altmaier ändert sich dadurch an der jetzigen Rechtslage für Ausländer so gut wie nichts. Schon jetzt haben die allermeisten in Deutschland aufwachsenden Ausländer einen Anspruch auf Einbürgerung, sobald sie volljährig sind. Der Unterschied ist vor allem formeller Natur. Ausländerkinder sollen einen Stempel in ihren Paß erhalten, der ihnen einen speziellen Status verleiht.
Am Fehlen Altmaiers hat das Abstimmungsergebnis nicht gelegen, auch wenn Fraktionschef Wolfgang Schäuble Heiterkeit auslöste, als er mitteilte, der Abgeordnete Altmaier könne an der Debatte nicht teilnehmen, er sei auf dem Weg zu seinem Kreisverband, wo es um seine Kandidatur als Bundestagskandidat gehe. Altmaier sagte, er habe in seinem Kreisverband beim besten Willen nicht fehlen können. Einen gewissen Symbolgehalt hatte seine Abwesenheit in Bonn aber doch: Die Reformer in der CDU kämpfen zwar in den Medien für ihre Überzeugung, aber wenn es in den eigenen Reihen darauf ankommt, sind sie nicht zur Stelle.
Aus taktischen Gründen hatten zwei Anträge zur Abstimmung gestanden. Zum einen Kanthers, zum anderen der von den jungen CDU- Abgeordneten, unterstützt von Heiner Geißler und Horst Eylmann. Das Kalkül der Reformer: Es werde den Fraktionsmitgliedern leichter fallen, für einen eigenen Antrag zu stimmen als gegen einen Antrag Kanthers. Etwa 20 Abgeordnete stimmten gegen Kanther, etwa 30 für den Antrag von Altmaier und Co – von insgesamt 250. Die Rechnung ging nicht auf – wie alle taktischen Spielchen der Vergangenheit.
Auch die Ankündigung der vergangenen Wochen, die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts per Gruppenantrag zur Abstimmung im Parlament zu bringen und dann gemeinsam mit SPD und Grünen doch noch die doppelte Staatsbürgerschaft durchzusetzen, wird wohl eine leere Drohung bleiben. Einen Gruppenantrag zusammen mit Abgeordneten von SPD und Grünen hat die FDP ausgeschlossen. Bleibt die Möglichkeit eines Antrags von Abgeordneten der CDU und der FDP. Dafür müßten 32 Abgeordnete die Courage finden. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt wollte das nicht ausschließen, aber das ist von ihm nun schon seit Monaten zu hören.
Auch Peter Altmaier rudert zurück. Wenn es nicht zu einem Gruppenantrag komme, sagte er, bliebe immerhin noch die Möglichkeit, daß „genügend viele CDU- Abgeordnete“ für den Bundesrats- Antrag stimmten, der im Frühjahr zur zweiten und dritten Lesung im Bundestag ansteht. Danach sollen Kinder der dritten Ausländergeneration, also Kinder von bereits in Deutschland geborenen Müttern, automatisch eingebürgert werden.
Die SPD geht nicht davon aus, daß es in dieser Legislaturperiode noch zu einer nennenswerten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts kommt. Der einwanderungspolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, sprach von einer „Abwehrschlacht der Konservativen“. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, wann sich eine wirkliche Reform des Staatsbürgerschaftsrechts durchsetze.
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