■ Einerseits, andererseits: Pro und contra Autowaschen
: Der Audi als Versuchslabor

Ein Auto soll fahren und nicht aussehen. Autoaufräumen kostet Geld und vertrödelt wertvolle Lebenszeit; Autoputzen vertilgt die Spuren eines gelebten Kfz-Lebens. Zudem gibt es kaum einen dämlicheren Anblick als den eines wagenputzenden Autobesitzers. Denn mit Waschen ist es in den seltensten Fällen getan, Felgenpolitur und Lackwachs, Chromreiniger und Bezügewaschmittel gehören zur Kfz-Wäsche-Grundausstattung, müssen aufgetragen, eingerieben, verteilt werden und bringen den Putzer ins Schwitzen.

Dennoch hat das Auto-Nichtputzen auch seine Nachteile. Einer ist der TÜV. Der weigert sich nämlich, extreme Schmutzkarren anzusehen, jedenfalls erklären das mit der Vorfahrt beauftragte Kfz-Mechaniker immer wieder. Dem halbherzigen „Na und, räumste halt auf“ lassen sie Taten folgen, die mindestens einer von ihnen sehr wahrscheinlich mit dem Leben bezahlte: Der vom ihm hygienisch beanstandete Audi war neben dreckig auch noch Versuchslabor. Auf der Ablage vorn rechts befand sich nämlich ein bei irgendeinem Intershop-Stop erworbenes Stück DDR-Käse. Das hatte schon sechs Jahreszeiten ohne sichtbare Konsistenzänderung dort überstanden, schwitzte nicht, verzog sich nicht, verfärbte sich nicht, lag einfach nur da und war so zu einem Begeisterung bei allen Mitfahrern weckenden Langzeitexperiment geworden. Dieser Käse fiel anläßlich eines TÜV-Termins dem Mechaniker zum Opfer, der bis heute Ungeklärtes mit ihm tat und zwei Tage später, in der Blüte seiner Jahre, starb.

Der Wagen wurde technisch nicht beanstandet.

Es gibt jedoch auch Nachteile, die den Autobesitzer persönlich treffen. Oft macht man die Bekanntschaft von Menschen, die man eigentlich nicht kennenlernen wollte. Die geben ihren Beruf euphemistisch mit „Autohändler“ an, sind jedoch in Wirklichkeit Kfz- Dealer. Von ihnen stammen die fotokopierten Zettel in regenabweisender Plastikfolie unter den Scheibenwischern, auf denen draufsteht „Wenn Sie Ihren Wagen in diesem Zustand verkaufen wollen, dann rufen Sie folgende Nummer an“. Gemeint ist natürlich: „Ich geb' dir für die Kiste 100 Mark, putze sie und vertick' sie dann für 1.000 – und du hast noch ein gutes Geschäft gemacht.“ Die verschärfte Variante im Schmutzige-Autos-Aufkäufer- Gewerbe tritt im Rudel auf, lauert an Ampeln mit besonders langen Rot-Phasen und gestikuliert. So heftig, daß man panisch das Fenster herunterkurbelt, denn die aufgeregten Männer wollen ganz sicher auf lose Räder oder auslaufendes Benzin aufmerksam machen. Wollen sie nicht. Sondern bloß wissen: „Verkaufst du den Karren?“

Nein, natürlich nicht. Denn immerhin kann man bei einem derart schmutzigen Wagen sicher sein, daß man ihn am nächsten Morgen noch dort findet, wo man ihn abgestellt hat. Manchmal sogar mit einem Zettel versehen: „Bitte rufen Sie mich sofort an.“ Den hat kein Karrenkäufer, sondern der ver„zweifelte Besitzer eines blitzenden Autos angebracht, der eine völlig vermüllte Schmutzkutsche dort vorfand, wo er abends seinen Wagen geparkt hatte. Und der hofft jetzt, daß man sachdienliche Hinweise auf die Diebe hat, aber außer „Ich hab' mich ja auch schon gewundert, mitten in der Nacht eine freie Parklücke zu finden“ kann man ihm auch nicht weiterhelfen. Hat er halt davon. Elke Wittich