piwik no script img

Paßbilder für die Nachwelt

■ „Das Gesicht Afrikas“zeigt ein fotografisches Selbstbildnis des Kontinents

Der Mann lächelt. In seinem braunen, schweren Anzug sitzt er etwas zusammengesunken auf dem Stuhl im imposanten Gruner+Jahr- Gebäude mit Blick auf den verreg-neten Hamburger Hafen und lächelt freundlich den Tisch an. Um den Tisch herum sitzen ca. 15 Journalisten, um sich über die Geo-Ausstellung Das Gesicht Afrikas. Selbstbildnis eines Kontinents zu informieren. „Inwieweit möchte Ihr Werk den europäischen Blick auf Afrika bzw. das durch Bilder transportierte Bild Afrikas als Katastrophenkontinent revidieren?“fragt ein Reporter klug und hat damit den Text der Presseeinladung zur Ausstellung von einem Aussage- in einen Fragesatz umformuliert.

Cornélius Yao Azaglo Augustt, 73 Jahre alt, blickt freundlich auf. „Es gibt nicht viele Unterschiede zwischen weißer und schwarzer Photographie. Nur daß Weiße mehr Landschaften photographieren. Ich mache Portraitaufnahmen.“Da schaltet sich vorsichtig Ruth Eichhorn, Geos Bildchefin, ein: „Sie müssen Herrn Augustt einfache Fragen stellen. Wissen Sie, Herr Augustt war im März dieses Jahres zum ersten Mal in Paris. Hamburg ist sein zweiter Besuch in Europa.“

Die Unterschiede zwischen Afrika und Europa sind groß, und daß die afrikanische Gebrauchsphotographie momentan auf dem internationalen Kunstmarkt als „Entdeckung“gehypt wird, macht sie nur umso offensichtlicher. Portraits von Augustt, die der 73jährige in seinem kleinen Studio in Korhogo an sieben Tagen der Woche tags wie nachts von jedem der selten gewordenen Kunden für umgerechnet neun Mark schießt, entwickelt und abzieht, werden in Paris für 1.000 Mark gehandelt.

1955 war der geborene Ghanese an die Elfenbeinküste gekommen, hatte sich eine hölzerne Boxkamera besorgt und machte Aufnahmen von Menschen, denen die Photographie zum Großteil noch unbekannt war. Augustt reiste damals mit einem Lastwagen über die Dörfer und fotografierte auf Marktplätzen. 1958 kaufte er eine Rolleiflex, und zwei Jahre später war die im permanenten Einsatz: Nach der Unabhängigkeit der Republik brauchte jeder Bürger ein Paßphoto. Später richtete er das kleine Studio ein, in dem er bis heute arbeitet, und wartete auf Kunden, die ihre eigene Gestalt in prächtigen Kleidern zu festlichen Anlässen festgehalten wissen wollen.

Diese schlichten Bilder haben eine brillante Klarheit bis heute: Nicht nur, daß Augustt seine 96.000 Negative sorgfältig pflegte, vor allem das Selbstbewußtsein der posierenden Menschen, das er unprätentiös festhielt, verleiht den Bildern eine mehr als photographische Kraft. Kunst würde Augustt das nie nennen: Er hat nur seine Arbeit getan, nämlich „Menschen möglichst schön fotografiert“.

Neben Fotografien Augustts werden bei G+J Bilder des 74jährigen Seydou Keita, der Menschen gerne mit ausgewählten Objekten wie Mofa oder Gitarre festhält, des 61jährigen Malick Sidibé, der raus aus dem Studio, rein ins Leben der afrikanischen Black-Power-Generation ging, und des 39jährigen Philip Kwame Apagya gezeigt, der mit bunten Kulissen Afrikaner auch nach Einführung von erschwinglichen Amateurkameras ins Studio lockt. Bilder aus fünf Jahrzehnten, wie sie uns unbekannt sind. Christiane Kühl

bis 9. Dezember, G+J, Am Baumwall 11

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen