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Entgleisungen & Exportbier

■ Allein unter Frauen: Dr. Blohm und Herr Voss beim Catchen

Alle Jahre wieder: Dicke Männer in knappen Anzügen hauen sich in der Stadthalle zur Belustigung des Publikums die Hucke voll. Unter den Besuchern die ewig nörgelnden Kulturredakteure Dr. Blohm und Herr Voss

Dr. Blohm: Ich bin erstaunt! Für eine solche Männersportart – und ich benutze den Begriff „Sportart“lediglich aus temporärer Ermangelung eines besseren – ist Anzahl und Lautstärke des weiblichen Publikumsanteils unerwartet hoch.

Herr Voss: Ach, erwähnte ich nicht, daß heute Damentag ist? Damen haben ermäßigten Eintritt.

Blohm: Nein, das erwähnten Sie nicht! Aber ich schätze, Sie haben diesen Termin nicht ohne Berechnung gewählt. Sind Sie etwa auf Brautschau?

Voss: Wenn ich es wäre, wäre die Auswahl hier nicht die schlechteste. Von ganz kleinen Backfischen bis zum Rotes-Kreuz-Häkelkreis ist jedes Alter vertreten.

Blohm: Und was für liebreizende Geschöpfe! Die mittelalterliche Alleinsitzende neben uns hat mehrfach den kanadischen Catcher lautstark ins KZ gewünscht, und gerade bezeichnete sie den gut, aber unfair kämpfenden „Rasta the Voodooman“als „Niggerschwein“.

Voss: Das geht in der Tat zu weit. Ehe ich mich vergesse, sollten wir uns aus Protest umsetzen. Vielleicht etwas näher ans Richterpult.

Blohm: Aber nicht in die erste Reihe! Diese Fleischberge stürzen sich ständig aus dem Ring in die erste Reihe, und ich habe das Gefühl, sie tun das mit Absicht!

Voss: Natürlich tun sie das mit Absicht. Das ist Teil des Spaßes. Jeder weiß, wer gewinnen wird, aber alle haben Spaß an der Show. Hier werden akrobatische Höchstleistungen und lustige Slapstick-Einlagen geboten.

Blohm: Wenn der Insider-Block zu unserer linken beim Auftritt des australischen Boomerang-Catchers als kollektives Känguruh in die Luft springt, mögen simple Gemüter ihren Spaß daran haben. Aber die faschistoiden Entgleisungen unserer Nachbarin gehen zu weit.

(Setzen sich um)

Blohm: Ich nehme an, Sie besuchen diese Veranstaltungen schon länger. Das wundert mich, zumal all diese Kämpfe berechenbar sind.

Voss: Das sehen Sie nicht differenziert genug. Gucken Sie: Es ist doch taktisch sehr clever, daß Cannonball Grizzly zwischen den Runden immer den Ringrichter ablenkt, während er dem schmierigen Schönling Rico de Cuba eine verpaßt, nur um die Schuld dann Rico in die Schuhe zu schieben, sobald der Richter wieder guckt.

Blohm: Fürwahr, was den Plot angeht, ist dies der bislang erfreulichste Kampf. Ansonsten ist das einzig Vergnügliche, daß Freiwillige aus dem Publikum spontan die Strafgelder der Catcher zahlen und sogar noch was drauflegen. Der dicke Kerl da vorne hat bestimmt schon hundert Mark ans Pult gebracht. Meint der etwa, diese sogenannten Sportler müßten am Hungertuch nagen?

Voss: Der Mann geht eben mit! Sie könnten auch mal etwas lockerer werden. Etwa wie die junge Frau schräg links vor uns.

Blohm: Sie meinen, ich sollte auch gefönte Korkenzieherlocken und ein Jeans-Hemd tragen?

Voss: Nein, Sie sollten etwas mehr die Stimmung absorbieren!

Blohm: Ich werde unter keinen Umständen hüpfen, brüllen und den ausländischen Wettbewerbsteilnehmern beidhändig Stinkefinger entgegenstrecken!

Voss: Ihnen ist nicht zu helfen...

Blohm: Ich glaube, wir sollten auf ein Getränk in eine Wirtschaft gehen, ehe die Emotionen vollends überkochen. Ich zahle. Hauptsache, es handelt sich nicht um lappländisches Exportbier.

Voss: Ich dachte, Sie finden die lappländische Plörre, die diese Veranstaltung sponsert, so „erfrischend“?

Blohm: Schon. Aber jetzt brauche ich etwas Stärkeres.

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