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Funky Diven im antiken Turbodesign

Der Olymp in satten Airbrushfarben. Die griechische Sage von Herkules beginnt für die neue Walt-Disney-Produktion im Museum. Mit „Hercules“ kommt ein selbstbezügliches Werbepaket ins Kino. „Aber ich bin doch eine Actionfigur!“ ruft dazu der Held  ■ Von Bettina Allamoda

Mit „Aladdin“ kreierte Jeffrey Katzenberg 1992 das umfassendste Disney-Zeichentrick-Spielfilm- Konzept aller Zeiten. Erstmals wurde der Merchandise-Vertrieb von Spielzeug, Souvenirs, Sport- und Kleidungsstücken etc. von Beginn an in die Produktion eingeschlossen. Das Märchen selbst ist bereits Teil einer Art Erzählindustrie, der Zeichentrickfilm als selbstbezügliches Werbepaket. Im Anschluß an „Aladdin“ verließ Katzenberg Buena Vista, um gemeinsam mit Steven Spielberg und David Geffen „Dream Works“ zu gründen.

Die Walt Disney Studios halten seitdem an seinem Erfolgsrezept fest. Mit „Hercules“ versucht Disney, diese Form des Rundum-lustig-Vertriebs noch noch zu überbieten. Die klassische griechische Sage von Herkules beginnt für John Musker und Ron Clements im Museum. Überhaupt scheinen die Fragen nach Design und Merchandising der Antike die Macher und Erfinder von Herkules 97 tief beeindruckt zu haben.

Das Produktionsteam fuhr zwar zur Inspiration nach Griechenland und in die Türkei, fand aber auch im British Museum in London alle möglichen Zeichentrickvorlagen in der griechischen Kunstabteilung. So wird die Bemalung unzähliger antiker Vasen zum Cartoon. Figuren und Muster schweben durchs Bild: fünf hellenistische funky divenartige Musen, die sich je nach Licht dunkellila bis pink färben, besingen im Gospelstil die Geschichte des Göttersohnes Zeus' und Heras: Herkules.

Der Olymp erscheint in satter Airbrushmanier: in Pink, Türkis mit Goldflitter auf flauschigen rosafarbenen Plüschwolken. Gerald Scarfe (Produktionsdesign), der 1936 in London geboren wurde, als Politkarikaturist in den frühen 60er Jahren für Punch, später für Daily Mail, Sunday Times und The New Yorker zeichnete, bestimmte das gesamte Filmdesign. Sein Sechziger- Jahre-Zeichenstil zieht mit dem High- Tech der Spätneunziger Turbodesign aus Alt und Neu zusammen. Die Hintergründe, Interieurs, Figuren und Layout sind ebenso überzeichnet wie übertrieben.

Der klassische Disney-Stil hat sich seit Ende der achtziger Jahre verändert und an anderen Filmstudios wie Warner Bros. oder selbst an japanischer Manga-Zeichentrickfilm-Animation orientiert. Selbst die traditionell hauseigene Kitschproduktion wird in „Hercules“ ähnlich wie schon 1992 bei „Aladdin“ auf die Schippe genommen und noch stärker stilisiert: nicht nur im schnörkeligen Zuckerbäckerstil-Rokkoko-Himmel Olymp oder zum Beispiel in Herkules' Ohren, (die nur aus einem einfachen, schnellen Kringel bestehen), sondern auch bei den kleinen, miesen Gehilfen von Hades, Pech und Schwefel, die mal als hilflose, süße Kleinkinder in trouble erscheinen und mal als Häschen oder Mäuschen („Zwei Stinktiere auf dem Weg nach Disneyland?“).

Das Heldenpaar wurde nach dem Vorbild von Barbara Stanwick und Jimmy Stewart (im Body von Arnold Schwarzenegger) gestaltet, was für Disney eher neu ist. Mit Figuren wie Hades, ein alter, blauer Punk mit Haarflamme, der in enger Zusammenarbeit mit dem ursprünglichen Schauspieler-Sprecher James Wood realisiert wurde, versucht der Film an Charaktere wie etwa den völlig durchgeknallten Dschin (Robin Williams) in „Aladdin“ anzuknüpfen.

Angesichts der aufwendigen Technik aus echter Handzeichnung, teuerster Animation und speziell für Zeichentrick entwickelte Special effects, geraten Story und Charaktere zwar in den Hintergrund, dafür ist das Design um so einmaliger.

Die Story folgt dem bekannten Mythos, wenn auch mit kleinen Abweichungen. Die wie üblich von Zeus betrogene und im Fall Herkules mehr als üblich rachsüchtige Hera wurde zu seiner leiblichen Mutter umgeschrieben. Ehebruch und verwirrende Verwandtschaftsverhältnisse haben im amerikanischen Kinderfilm nichts zu suchen. Anfangs ist Hercules ein tolpatschiger Junge mit X-Beinen. Als er von seiner wahren Herkunft erfährt, verläßt er die Pflegeeltern Amphitryon und Alkmene, um mit seinem tatsächlichen Vater Zeus das erste Mal Kontakt aufzunehmen. Dieser schickt ihn zu dem Heldentrainer Philoctetis (mit der Stimme von Danny DeVito). Der kleine Satyr läßt sich noch einmal überreden und pumpt Hercules zum Superhelden auf, wie wir sie seit jeher kennen: von Tarzan, Arnold Schwarzeneggers Conan, der Barbar, bis zu G.I. Joe und Masters of the Universe als Zeichentrickhelden. Dazu singen dann die Musen: „Muckis machen müde Männer munter!“

Nachdem Hercules sämtliche Heldentaten blutig, aber erfolgreich erledigt hat, wird er in der berüchtigten Großstadt Theben („Theben erleben und sterben!“) ein Star. Nun steht sein Abbild und Name auf allen Mosaik-Billboards in ganz Griechenland. Im Hercules-Store wird seine eigene Produktpalette, die von „Air-Herc“- Turnschuh-Sandalen, bis zu Actionfiguren, Buttons und Herc-Erfrischungsgetränke reicht, angeboten.

Doch Zeus, der Vater, hat Bedenken. Worauf ihm der Sohn entgegnet: „Aber ich bin doch eine Actionfigur!“ Hercules soll in sein Herz horchen und dann wiederkommen. Dieses Herz gehört Megara, die er aus den Klauen eines langhaarigen Rocker-Centauren namens Nessus gerettet hat. Obwohl sie gar nicht in Not war und selbst eine starke, selbständige und selbstbewußte Figur ist, verliebt sie sich dann doch in den Muskelmann Herc. Andererseits hat sie schon mit Hades einen Vertrag geschlossen. Um sie zu retten macht Hercules selbst ein Geschäft mit Hades und willigt ein, für einen Tag auf seine Kraft zu verzichten. Dann läßt der Herr der Unterwelt vier Titanen los, jeweils aus Stein, Eis, Tornadowind und Lavamasse, die alle kantig wie Mega-Roboter aus japanischen Manga-Zeichentrickfilmen den schnörkeligen Olymp besteigen (und alle Götter gefangennehmen).

Nachdem Meg sich zuerst für ihren Liebsten opfert, holt Hercules ihre Seele aus dem Meer der Toten wieder heraus. Dadurch beweist Hercules wahres Heldentum und bekommt, wie es zu Beginn als Baby war, einen Goldrand. Wie alle Götter.

„Hercules – Zug der Helden“. Eine Zeichentrickfilmproduktion von John Musker und Ron Clements, USA 1997, 93 Minuten

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