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Ingenieure an den Steuerknüppeln

■ Die Pioniere sind eine Skat-Runde – aber die Kombination von Maschinenbaustudium und Pilotenausbildung ist gefragt

Ihr Studienjahrgang ist nicht größer als eine Skat-Runde: Den drei Luftfahrtpionieren Mark Saure, Frank Maleiner und Heiko Frenzel ist an der Hochschule Bremen die volle Aufmerksamkeit ihre Dozenten gewiß. Auch an der Bremer Verkehrsfliegerschule der Lufthansa ist das Trio ein wenig exotisch. Sie sind die ersten Studenten in Deutschland, die zum Jet-Piloten und parallel zum Maschinenbau-Ingenieur ausgebildet werden – in nur acht Semestern, inklusive ein Jahr Fliegertraining in Arizona.

„Pilot zu werden war mein Kindheitstraum“, sagt Mark Saure. Die Perspektive, sein ganzes Berufsleben im Cockpit zu verbringen, war dem 24jährigen aber auch nicht geheuer. „Als Pilot ist man nur Bediener der Maschine, und ich will auch mal was Kreatives machen“. Darum hat er sein reines Flugzeugbau-Studium in Aachen aufgegeben und sich zum kombinierten Ingenieur-Studium in Bremen entschlossen, nachdem er darüber in einer Fachzeitschrift gelesen hatte.

Der „Internationale Studiengang für Luftfahrt-Systemtechnik und -Management“, den Hochschule und Fliegerschule gemeinsam seit dem Wintersemester 1995 anbieten, kommt nach der anfänglichen Skatrunde nun in die Gänge. Im zweiten Jahrgang studieren zehn junge Männer, zum neuen Semester haben 40 Leute ihr Studium begonnen, die meisten kaum 20 Jahre alt. Frauen sind nicht darunter.

Das Programm ist hart: Zur Zeit – in ihrem fünften Semester – machen die drei Pioniere 42 Wochenstunden, drei Tage in der Hochschule, zwei bei den Fliegern. „Aber die ersten drei Semester waren fast wie ein normales Ingenieurstudium“, sagt Mark Saure. Es habe sich herausgestellt, daß die Planer für die Anfangsphase nicht genügend Stunden kalkuliert hatten. Darum sei die Belastung jetzt „extrem hoch“. Der gebürtige Remscheider weiß, wofür er arbeitet. Er will Karriere machen: „Wenn ich fertig bin, dann bin ich 25 und habe zwei Abschlüsse“.

„Manche Leute in der Branche sagen zwar, was brauchen wir studierte Piloten“, sagt Renate Hocke, Sprecherin der Fliegerschule, die gerade als Lufthansa Flight Training GmbH in eine eigenständige Tochterfirma der Airline umstrukturiert worden ist. Dennoch sind die Verantwortlichen in Hochschule und Fliegerschule überzeugt, daß ihre Schützlinge einen guten Job finden, wenn sie einmal nicht mehr am Steuerknüppel sitzen wollen. Denn für viele Bereiche im Zusammenspiel von Flugzeugbau, Pilotentraining, Neubestellungen von Maschinen und Weiterentwicklung von Flugzeugen seien sowohl fliegerische als auch technische Fähigkeiten gefragt.

Für viele Bewerber ist das Ingenieurdiplom auch eine Absicherung. Bei gesundheitlichen Schwierigkeiten oder einem Unfall und ist man für den Job im Cockpit nicht mehr tauglich. So seien auch viele Eltern daran interessiert, daß ihre Kinder neben dem Pilotenschein noch „etwas Anständiges lernen“, sagt Renate Hocke.

Denn die Fliegerschule ist teuer. 148.000 Mark kostet die Ausbildung. Dafür bringen die Lufthansa-Trainer die Bewerber in 230 Flugstunden auf den Co-Pilotensitz eines Jets.

Beim Start ins Berufsleben drücken Schulden, da sind die Ingenieurs-Piloten keine Ausnahme. Normalerweise bringen die Leute ein Drittel des Geldes in Cash mit, ein Drittel bringt zum Beispiel eine Hypothek auf das Haus der Eltern oder andere Sicherheiten, der Rest wird über Banken finanziert.

Kein Wunder, daß alle auf einen gutbezahlten Job im Lufthansa-Cockpit schielen, sagt Renate Hocke. Denn mit einem Einstiegsgehalt von 3.500 Mark netto, wie es kleinere Airlines zahlen, sei die Rückzahlung der Schulden hart. Nervös würden die Jungflieger immer dann, wenn die Nachfrage nach Piloten mal wieder unten sei und Absolventen der Fliegerschule – wie zur Zeit für ein halbes Jahr – im Wartestand auf bessere Zeiten „geparkt“werden müssen.

Die Ingenieure sehen ihre Zukunft freilich etwas gelassener als ihre nur fliegenden Kollegen. Überhaupt steht für Mark Saure und seine Skat-Kumpels jetzt erstmal ein Jahr Amerika auf dem Plan. Danach will der Studien-Jahrgang in einer Wohngemeinschaft zusammenziehen. Joachim Fahrun

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