■ Koalition: CSU-Mann Oswald wird Bauminister für zehn Monate: Alt und grau
„Frisch und neu“ – es gibt Etikette, die in Bonn so beliebt sind wie in der Waschmittelwerbung. Auch dem künftigen Bundesbauminister Eduard Oswald wurde prompt ein „frisches, neues Gesicht“ attestiert. Theo Waigel habe sich für einen „unverbrauchten Mann“ entschieden, hieß es bei der CSU. Durch Oswalds Biographie ist diese rosige Einschätzung nicht gedeckt, er hat eine Parteikarriere traditionellster Art hinter sich: mit 26 Jahren Kreisvorsitzender, mit 29 Landtagsabgeordneter, dann Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/ CSU-Fraktion. Wäre der Minister ein Waschmittel, so würden bei den Verbraucherschutzzentralen die Telefone heißlaufen: Etikettenschwindel!
Handelt es sich bei der Mogelpackung um einen Minister, regt sich im Jahr 16 der Kohl-Kanzlerschaft kaum mehr ein Bürger auf, und auch das Medien- Echo fällt überwiegend wohlwollend aus. So wird die Berufung von Eduard Oswald zum Symbol für das Verhältnis von Regierung und Regierten ein Jahr vor der Bundestagswahl: Das System Kohl reproduziert sich selbst, den Bürgern ist's egal.
Dabei hätte sich das Bauministerium durchaus für einen personalpolitischen Coup geeignet. Der bisherige Amtsinhaber Klaus Töpfer hat die wichtigste Aufgabe seines Ressorts gemeistert und den anfangs unwilligen Bonner Beamten beim Berlin-Umzug Beine gemacht. Nachdem die Novelle des Mietrechts und die Neuordnung des Wohngeldes vorerst auf Eis gelegt sind, bleibt Töpfers Nachfolger bis zur Wahl 1998 wenig zu tun – eigentlich eine ideale Situation, um bei der Neubesetzung eine originellere Lösung zu finden als Eduard Oswald. Die Idee etwa, in das männerlastige Kohl-Kabinett eine Frau zu entsenden, ist in der CSU nur zaghaft geäußert worden; Waigel hat den Vorschlag angeblich nie ernsthaft erwogen. Die möglichen Kandidatinnen verfügten alle nicht über ausreichende Qualifikationen, lautete inoffiziell die Begründung. Während Waigel neue Gesichter im Kabinett fordert, wird zum Beispiel der Abgeordneten Dagmar Wöhrl entgegengehalten, sie gehöre dem Bundestag erst seit dieser Legislaturperiode an.
Wer Oswald loben will, wie etwa die Welt, nennt ihn „bienenfleißig“, bescheinigt ihm Verschwiegenheit und „geschmeidige Freundlichkeit“. In einem Ministerium, das bis Ende 1998 nichts Rechtes zu tun hat, sitzt nun einer, der sich allenfalls aufs Verwalten zu verstehen scheint. Statt „frisch und neu“ präsentiert sich die Regierungsbank unverändert – alt und grau. Patrik Schwarz
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